Sonntag, 1. September 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 7: Persönlicher Freiraum
Ein Baby stellt erstmal das Leben total auf den Kopf und fordert viel ein. Das ist auch ganz normal so. Dennoch war und ist es für mich - insbesondere als Mutter - von Anfang an wichtig gewesen, Freiräume für mich alleine zu haben.

Das stößt bei anderen Leuten schnell auf Unverständnis. Bei Vätern wird eher akzeptiert, wenn z.B. Hobbies weiter geführt werden. Viel zu oft habe ich auch schon Witze unter Vätern darüber gehört, dass man eigentlich ganz gerne Überstunden mache, damit man sich zu Hause nicht noch mit dem Baby beschäftigen muss.

Zum Glück läuft das bei meinem Mann und mir anders. Dadurch, dass wir im Krankenhaus ein Familienzimmer hatten, war er von Anfang an eingebunden. Ich weiß noch gut, wie kurz nach der Geburt das Kind von der Untersuchung zurück kam und die Kinderkrankenschwester meinte, dass er ein bisschen Untertemperatur habe und deswegen am Körper aufgewärmt werden solle. Sie wollte mir den Kleinen ganz automatisch auf den Bauch legen, als ich sagte "Mir wäre es lieber, er geht zum Papa, gestillt habe ich ja eben erst, ich würde jetzt wirklich gerne ein bisschen schlafen, weil ich total fertig bin". Mit hochgezogenen Augenbrauen gab sie dann kopfschüttelnd das Baby meinem Mann. Ist ja auch eine Frechheit, wenn sich eine Frau direkt nach einer schweren Geburt (ich war 24 Stunden lang im Kreißsaal) ein wenig erholen möchte...

Zwei Tage nach der Geburt - wir waren noch im Krankenhaus - haben wir das grade gestillte, frisch gewickelte und tief schlafende Baby für eine halbe Stunde im Kinderzimmer der Station abgegeben um draußen einen Spaziergang zu machen und den Kopf kurz frei zu kriegen. Das Baby hat von der ganzen Aktion gar nichts mitbekommen, weil es friedlich schlief - die Blicke der Kinderkrankenschwester hingegen hätten töten können. Diese wies mich dann auch später vorwurfsvoll darauf hin, dass ich die einzige Mutter auf der Station sei, bei der das Baby im Beistellbett und nicht im gleichen Bett schlafe. Übrigens war mein Mann auch anwesend, da wir ein Familienzimmer hatten, er durfte sich diesen Vorwurf allerdings nicht anhören. Ich finde es echt krass, wie schnell Müttern vorgeworfen wird, wenn sie nicht 24 Stunden am Tag an ihrem Baby kleben wollen.

Damit es mir seelisch gut geht, brauche ich Raum für mich, das war mir von Anfang an wichtig. Natürlich hätte ich mein Baby auch bei mir schlafen lassen, wenn es sonst nicht geschlafen hätte. Da es aber super im Beistellbett und zu Hause von Anfang an im eigenen Bett schlief, sah ich keine Notwendigkeit dazu. Wenn ich den ganzen Tag alleine mit dem Baby zu Hause war, hat es mir sehr viel bedeutet abends eine halbe Stunde alleine im Wald spazieren zu gehen, wenn mein Mann zu Hause war. Vier Wochen nach der Geburt bin ich dann das erste Mal länger alleine abends aus dem Haus gegangen, um zur Bandprobe zu fahren.

Das ist sowohl bei anderen Müttern als auch bei meiner Familie teils auf viel Kritik gestoßen. Mich ärgert es, dass automatisch vorausgesetzt wird, dass ein Baby 24 Stunden am Tag bei seiner Mutter zu sein hat. Gerne wird das Stillen als Argument dafür vorgebracht.

Ich habe 11 Monate lang gestillt, 6 Monate voll. Trotzdem konnte ich jede Woche abends zur Bandprobe - ich habe zu diesem Zweck Milch abgepumpt, die dann mein Mann per Flasche gefüttert hat. Das hat ganz wunderbar geklappt. Ich bin ziemlich sicher, dass ich nicht so lange gestillt hätte, wenn das bedeutet hätte, dass ich nie alleine länger das Haus verlassen kann. Es ist genau ein einziges Mal vorgekommen, dass ich früher von der Probe nach Hause gefahren bin, weil das Baby geweint hat und mein Mann alleine es nicht beruhigen konnte.

Jetzt wo mein Mann und ich beide arbeiten und der Kleine in die Kita geht ist es genauso wichtig, dass jede/r von uns noch etwas für sich machen kann. Es ist ganz normal, dass wir z.B. abends zum Sport gehen oder z.B. mit KollegInnen was trinken gehen. Die Kinderbetreuung übernimmt dann der/die andere. Übrigens passiert es uns beiden, dass wir manchmal denken "och, eigentlich habe ich gar nicht soo große Lust, ich bin müde und würde lieber zu Hause blieben" - da es aber meistens feste Termine sind, gehen wir doch und sagen hinterher jedes Mal, dass es uns aber merklich gut getan hat (vor allem wenn es ein Sporttermin war).

Was hat das nun mit Vereinbarkeit und Vollzeitarbeit zu tun? Ich denke, in unserem Fall würde es ohne diesen Ausgleich gar nicht gehen. Die Zeit, die wir nur für uns haben und in der wir etwas machen, das uns gut tut, lädt die Batterien so auf, dass wir genug Kraft für die Arbeit und die care Arbeit haben. Ich stehe auch ganz offensiv dazu, dass ich zwar gerne mit meinem Kind zusammen bin, aber durchdrehen würde, wenn ich nicht auch mal etwas alleine machen kann. Das wird unter Müttern leider oft nur unter vorgehaltener Hand zugegeben. Das finde ich echt schade und ich würde mir sehr wünschen, dass Mütter das offener kommunizieren würden und auch könnten, ohne dafür sofort kritisiert zu werden.

Wie ist das bei Euch? Wie sind Eure Erfahrungen? Habt Ihr auch Kritik erfahren?

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Freitag, 9. August 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 6: Hilfe im Notfall
Es heißt ja immer, es braucht ein Dorf, um ein Kind groß zu ziehen. Nun, bei uns ist das tatsächlich im "Normalbetrieb" die Kita - wir haben keine Großeltern in der Nähe. Meine Eltern wohnen 2,5 Autostunden entfernt, meine Schwiegereltern wohnen 8 Autostunden entfernt.

Leider haben wir bis jetzt auch kein dichtes Netzwerk aus anderen Eltern in unserer Nähe aufbauen können. Wir hoffen, dass sich das ergibt sobald unser Kind etwas größer ist und in der Kita Freundschaften schließt.

Dennoch sind wir im Notfall nicht komplett auf uns allein gestellt. Wir haben sehr liebe Nachbarn mit "Großelternerfahrung", die unser Kind auch kennen. Im Babyalter hat meine Nachbarin den Kleinen gehütet, als ich einige regelmäßige Arzttermine wahrnehmen musste. Als ich im Pekipkurs einmal Kreislaufprobleme bekam und mein Mann wegen einer Dienstreise nicht greifbar war, war meine Nachbarin ebenfalls da. Sie hat mir eine Brühe gemacht und gewartet bis ich etwas gegessen, das Baby gestillt und uns beide ins Bett verfrachtet hatte. Ich hätte es rückblickend wahrscheinlich auch alleine geschafft, aber es war sehr beruhigend, dass jemand da war und sich gekümmert hat.

Ich würde jetzt nicht sagen, dass unsere Nachbarn ein "Großelternersatz" sind, dafür sehen wir sie nicht oft genug. Aber sie sind für den absoluten Notfall bei der Kita als Personen eingetragen, die unseren Sohn abholen dürfen.

Bisher ist der Fall zum Glück nicht eingetreten, aber es ist sehr sehr beruhigend, dass jemand da ist wenn wir einmal wirklich kurzfristig Hilfe brauchen.

Wenn wir mit mehr zeitlichem Vorlauf Hilfe brauchen, sind im Notfall auch meine Schwiegereltern gerne bereit zu helfen. Meine Eltern können dies leider nicht, da meine Mutter momentan erkrankt ist. Meine Schwiegereltern sind beide Rentner, sehr aktiv und auch gesundheitlich sehr fit. Als wir im März die Situation hatten, dass das Kind krank war, ich grade erst nach zwei Wochen Krankenstand (in der Probezeit) wieder im Büro war und mein Mann eine Skifreizeit mit Kollegen geplant hatte, die auch schon bezahlt war, haben meine Schwiegereltern unaufgefordert als wir unser Leid geklagt haben erklärt, dass sie sich am nächsten Tag ins Auto setzen und herfahren können.

Wir waren unendlich dankbar, dass sie das kranke Kind hüten konnten, so dass ich arbeiten und mein Mann auf die Skifreizeit fahren konnte.

Wir werden noch sehen, wie das weiterhin läuft. Aber ich würde sagen, dass wir sozusagen das absolute Mindestmaß an externer Hilfe im Notfall/Krankheitsfall haben, um Beruf und Familie vereinbaren zu können. Weniger geht denke ich nicht.

Wie läuft das bei Euch? Ich würde mich auf einen Austausch auf Twitter oder in den Kommentaren freuen.

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Dienstag, 6. August 2019
Vereinbarkeitsspagat Teil 5. Gesundes Kind ohne überdurchschnittliche Bedürfnisse (also kein high-need Kind)
Wie ja schon an einigen Stellen durchgeklungen ist, habe ich mir sehr viele Gedanken im Vorfeld der Kinderplanung gemacht. In meinem Familien- und Freundeskreis hatten zudem viele schon Kinder, und da alle ziemlich ehrlich berichtet haben, wusste ich dass man nicht wirklich im Vorfeld weiß, was auf einen zukommt.

Das liegt natürlich daran, dass Kinder extrem unterschiedlich sind und daran, dass die persönlichen Belastungsgrenzen und Bedürfnisse der Eltern auch sehr unterschiedlich sind. Ein Kind, das von einer Person als pflegeleicht empfunden wird, ist für jemand anders anstrengend.

Ein Kind kann sehr krank zu Welt kommen. Ein Kind kann durch eine Infektion oder einen Unfall sehr krank werden. Ein Kind kann auch etwas haben, das an sich medizinisch nicht schlimm ist und gut behandelt werden kann - aber auch das ist fordernd, sowohl emotional als auch vielleicht organisatorisch und zeitlich.

Es gibt high-need-Kinder, die als Babies stundenlang schreiben, nicht abgelegt werden wollen und im Erlernen ihrer Impulskontrolle und Frustrationstoleranz überdurchschnittlich lange brauchen. Leider habe ich oft mitgekriegt, wie diesen Eltern häufig wenig Verständnis entgegen gebracht wird (das ist vielleicht noch Thema für einen eigenen Blogeintrag).

Unser Kind kam glücklicherweise gesund zur Welt. Außer den normalen Infekten, die zu Anfang der Kitazeit gehäuft, aber noch im normalen Rahmen auftraten war bisher nichts. Er hatte bisher insgesamt zweimal Magen-Darm, zweimal Mittelohrentzündung, einmal eine schwere Erkältung mit Fieber, eine Mandelentzündung und das 3-Tage-Fieber. Die Rotznase im Winter zähle ich nicht mit, denn das war bisher bei ihm immer so harmlos, dass er in seinem Wohlbefinden nicht beeinträchtigt war und wie gewohnt in die Kita gehen konnte. Die anderen Infekte hat er auch schnell überwunden.

Ich kenne zwar Kinder, die weniger oft krank sind, auch zu Beginn der Kitazeit, aber ich kenne auch viele Kinder, die wesentlich häufiger und dann länger krank sind. Zusammengefasst würde ich sagen, dass unser Kind in Bezug auf Krankheiten bisher ziemlich im Durchschnitt liegt.

Bezüglich der Bedürfnisse war er als Baby pflegeleicht. Von Anfang an wollte er am liebsten alleine in seinem Bettchen schlafen, geweint hat er wenig und wenn, dann meistens weil er hungrig war - ein Problem, das sich zum Glück bei einem Stillkind schnell lösen lässt. Ich konnte ihn sogar tagsüber auch wenn er wach war für einige Minuten alleine im Raum lassen, das war kein Problem.

Anstrengend fand ich in der Babyzeit trotzdem das nächtliche Stillen - 6 Stunden Schlaf am Stück hat er mit ca. 8 Monaten geschafft. Deswegen bin ich in den ersten Monaten meistens auch schon um 20 Uhr zu Bett gegangen, weil mich der fragmentierte Schlaf so belastet hat.

Seit seinem ersten Geburtstag schläft er durch. Unsere Einschlagbegleitung sieht so aus, dass wir um 19.30 Uhr hochgehen, ihn gemeinsam bettfertig machen und ihm ein Liedchen vorsingen. Im Wechsel bleibt dann einer von uns im Kinderzimmer, setzt sich mit ihm in den Sessel, gibt ihm eine Abendflasche und legt ihn hin. Nach 10-20 Minuten hat er sich ausgebröselt, ist eingeschlafen und man kann den Raum verlassen. Ich lege in der Zeit entspannt meine Füße hoch und lese meine Twitter-Timeline nach.

Das heißt, die Abende gehören uns, und mir ist bewusst, dass wir da echt den Joker gezogen haben. Wenn wir jeden Tag abends Stunden brauchen würden, um dem Kind zu helfen runter zu fahren und einzuschlafen - bei high-need-Kindern keine Seltenheit - wären wir sehr viel gestresster.

Anstrengend ist das Kind derzeit in Bezug auf Explorationsdrang und Autonomiebestreben. Er will überall ran, alles haben, tun was er will und auch dass wir tun, was er will. Man kann ihn folglich keine Sekunde aus den Augen lassen weil man befürchten muss, dass er sonst abhaut, irgendwo hochklettert oder Ähnliches. Folglich ist unser Familienleben derzeit sehr geprägt davon, dass wir ständig aushandeln, was er darf und was nicht und ihn durch seinen Frust begleiten, wenn er an die von uns gesetzten Grenzen stößt. Wir schaffen es meistens, Ruhe und Nerven zu behalten - was aber daran liegt, dass wir genau wissen dass wir spätestens um 20 Uhr Zeit und Raum nur für uns haben ;-).

Wieder kann ich nur für mich persönlich sprechen, aber ich kann mir schwer vorstellen, dass ich einen Vollzeitjob schaffen würde, wenn regelmäßige medizinische Termine erforderlich wären oder ich nachts mit dem Kind mehrmals wach wäre. Ich würde mich auch als eher wenig belastbar einstufen. Umso mehr sind bei uns folglich die Gesundheit und die Bedürfnisse des Kindes ein wesentlicher Faktor für die Vereinbarkeit von Familie und Vollzeitarbeit.

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Sonntag, 4. August 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 4: Privilegierte berufliche Situation
Prinzipiell ist es leider eher so, dass Kinder in Bezug auf den Beruf vor allem bei Frauen als Handicap empfunden werden. Dabei spielen die berufliche Situation, die Flexibilität des Arbeitgebers und sein fair play eine wesentliche Rolle in Bezug auf die Vereinbarkeit.

Die Benachteiligung von Müttern ist bekannt und belegt, ich will da an dieser Stelle gar nicht näher drauf eingehen. Selber habe ich damit beim meinem Ex-Arbeitgeber nach der Elternzeit auch Bekanntschaft gemacht; das habe ich bei Twitter ausgiebig in einem viel geteilten Thread beschrieben.

Was meine Situation von der vieler anderer Mütter unterscheidet: Anstatt zähneknirschend hinnehmen zu müssen, dass der Arbeitgeber einen mies behandelt weil man ein Kind hat, da man auf dem Arbeitsmarkt schlechte Karten hat, habe ich recht schnell eine neue Stelle gefunden und musste mir das nicht mehr antun. Einbußen in Position oder Gehalt musste ich dafür nicht in Kauf nehmen, im Gegenteil: Ich verdiene mehr, darf mehr Verantwortung übernehmen und habe sogar 5 Urlaubstage mehr im Jahr als vorher. Ach ja, und ich habe jetzt eine 39-Stunden Woche statt wie vorher 40 Stunden sowie wesentlich flexiblere Kernzeiten.

Mir ist bewusst, dass das eher die Ausnahme ist. Woran das liegt? Ich hatte das Glück, das "richtige" zu studieren. Das gute alte Ingenieursdiplom und 10 Jahre solide Berufserfahrung reichen hier in der Region aus, um ziemlich sofort einen Job zu finden. Der Fachkräftemangel ist in diesem Feld tatsächlich real vorhanden. Ich habe in meinem Vorstellungsgespräch sehr ehrlich von meiner Situation erzählt, nicht verschwiegen, dass ich ein Kind habe und es war kein Problem, weil mein Arbeitgeber froh war, überhaupt jemanden zu finden (mein Ex-AG war übrigens nicht so schlau, der konnte meine Stelle nicht nachbesetzen. Auch nicht die Stellen von Kollegen, die vor mir gegangen sind. Es spricht sich irgendwann halt rum, wenn man sich gegenüber seinen MitarbeiterInnen nicht fair verhält).

Dass ich in der Probezeit 20 Kranktage hatte, weil ich am Jahresanfang leider jeden Infekt hatte, den das frisch eingewöhnte Kind aus der Kita mitgebracht hat, wurde natürlich nicht mit Begeisterung aufgenommen, aber es hat auch keiner was Blödes gesagt. Gekündigt wurde ich deswegen nicht - in anderen Unternehmen und anderen Branchen hätte ich die Probezeit mit dem Krankenstand definitiv nicht überlebt.

So gesehen bin ich nicht nur weich gefallen, sondern wurde von meinem Ex-Arbeitgeber unbeabsichtigt die Treppe ein Stückchen hinauf geschubst.

Bei meinem Mann ist es ähnlich, sein Feld ist noch spezialisierter als meins, er ist defacto sehr schwer zu ersetzen und so stand sein Chef auch komplett hinter ihm, als er angekündigt hat, dass er 6 Monate Elternzeit macht. Wenn er zu Hause bleibt weil das Kind krank ist oder zum Arzt muss (wir wechseln uns auch da ab) ist das überhaupt kein Problem.

Wir verdienen auch so viel, dass die Kosten für Kinderbetreuung nicht groß ins Gewicht fallen; es lohnt sich auf jeden Fall finanziell, dass wir beide Vollzeit arbeiten gehen und so können wir uns die tolle Kita leisten.

Alles in allem haben wir also wirklich sehr, sehr großes Glück und sind sehr privilegiert, was unsere berufliche Situation angeht - nicht nur in Bezug auf die Randbedingungen und das Gehalt, sondern weil wir beide etwas machen, das uns liegt und das wir gerne tun. Und das macht es uns natürlich erst möglich bzw. viel einfacher, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

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Samstag, 3. August 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 3: Organisation und Helferlein im Alltag
Auch genannt: Das bisschen Haushalt. Mich regt immer endlos auf, wie überlasteten Eltern, meist Müttern geraten wird, "einfach" den Haushalt "liegen zu lassen".

Würde man den Haushalt einfach liegen lassen, gäbe es nichts zu essen weil keiner einkauft, hätte man kein sauberes Geschirr weil niemand die Spülmaschine ein- und ausräumt und auch keine saubere Kleidung. Man kann natürlich hier und da Prioritäten setzen und manche Dinge wenn es grade nicht geht verschieben, aber grundsätzlich muss man schauen, dass alles am Laufen gehalten wird.

Ich erzähle wieder einfach mal, wie das bei uns läuft: In Teil 1 habe ich schon beschrieben, dass mein Mann und ich 50/50 praktizieren, das heißt die Aufgaben werden geteilt und ich bin auch nicht diejenige, die Arbeiten "verteilt", sondern jede/r muss selber dran denken. Stichwort mental load. Es ist also klar geregelt, wer was wann zu tun hat.

Priorität hat bei uns immer, dass eingekauft und gekocht wird, die Spülmaschine läuft und saubere Wäsche da ist. Das gründliche Putzen ist alle 14 Tage angesagt, hier darf geschoben werden.

Wir sind mittlerweile durch gute Planung tatsächlich so weit, dass nur zwei Mal pro Woche eingekauft wird. Das läuft so, dass wir Samstag morgens die anstehende Woche durchsprechen, also wer Abendtermine hat etc. Darauf basierend mache ich den Essensplan und schreibe in die Einkaufsapp, was alles dafür benötigt wird. Am Wochenende kaufen wir öfters zu dritt ein, weil das Kind das momentan toll findet, ansonsten ist der Einkauf Aufgabe meines Mannes. Wir nutzen die Einkaufsapp "Bring" und ich kann sie an dieser Stelle wärmstens empfehlen. Wir notieren auch immer beide zwischendurch, wenn wir sehen dass bald etwas leer wird und nachgekauft werden muss.

Ich koche fast immer so, dass es für zwei Tage reicht. Bei Dingen, die sich einfrieren lassen koche ich oft noch mehr, damit ich immer was für Notfälle in der Tiefkühltruhe habe.

Ein anfangs kritischer Punkt war: Wie kriege ich es hin zu kochen, wenn ich am frühen Abend mit dem Kind alleine zu Hause bin bevor mein Mann nach Hause kommt? Inzwischen klappt das ganz gut, ich benutze zum einen zum Kleinschnippeln von Gemüse und Obst einen Nicer Dicer, weil das damit sehr schnell geht, und ich koche sehr viel in einem Multikocher. Damit kann ich sogar Essen am Vorabend vorbereiten, morgens den Kocheinsatz ins Gerät stellen und tagsüber im slow cook Programm köcheln lassen. Wenn ich dann nach Hause komme, ist das Essen fertig. Aber auch wenn das Kind da ist, ist ein Multikocher praktisch. Will ich z.B. etwas eine Stunde lang schmoren, stelle ich das Programm ein und das Gerät hält die Temperatur und schaltet nach der programmierten Zeit von selber in einen Warmhaltemodus. Auch Pasta kochen geht damit, und man riskiert nicht dass etwas überkocht oder anbrennt weil man grade dringend dem Kind eine überlaufende Windel wechseln muss.

Wenn ich koche, singe ich oft dem Kind etwas vor oder schaue, dass er mit Spielzeug anderweitig in der Küche beschäftigt ist. In den meisten Fällen klappt das auch inzwischen. Hier halte ich mich an die Devise von Jesper Juul, der geschrieben hat dass Kinder ruhig mitkriegen sollen, dass Eltern auch Dinge im Haushalt erledigen müssen.

Natürlich könnten mein Mann und ich auch jeden Tag in eine Kantine gehen und dann müsste ich nur am Wochenende kochen. Das Kind isst ja mittags in der Kita warm. Aber zum einen schmeckt mir mein selbstgekochtes Essen besser und es ist auch günstiger. Trotzdem ist es eine Überlegung wert, ob man wirklich immer kochen möchte, da es Zeit und Organisation erfordert.

Übrigens gibt es auch bei uns Kantinentage, an denen ich nicht koche. Es gibt auch Tage, an denen irgendwie total der Wurm drin ist, ich vielleicht eine Erkältung habe oder wirklich nur noch müde bin und mein Mann auf dem Rückweg von der Arbeit etwas beim Imbiss holt. Ich finde es sehr wichtig, geistig flexibel zu bleiben und nicht an den eigenen Ansprüchen zu scheitern.

Ein weiteres Hilfsmittel ist definitiv unser Staubsauberroboter. Der saugt dreimal die Woche tagsüber. Mein Mann und ich haben uns darauf verständigt, nur in den Abenden davor den Fußboden vom Spielzeug frei zu räumen, ansonsten darf es liegen bleiben. Das sieht dann schonmal etwas chaotisch aus, ist für uns aber ein akzeptabler Kompromiss.

Wäsche erledige ich an den Abenden, an denen mein Mann das Kind ins Bett bringt. Generell habe ich die Regel, dass ich nach 21 Uhr nichts mehr im Haushalt mache und alles, was bis dahin nicht erledigt ist einfach bis zum nächsten Tag warten muss. Auch das hilft mir, Prioritäten zu setzen und mich nicht an unwichtigen Dingen aufzureiben.

Wir überlegen immer mal wieder, ob wir uns eine Putzhilfe leisten sollen. Im Moment ist es eigentlich nicht nötig. Hier hat mir auch ein bisschen geholfen, meinen Blickwinkel zu ändern: Sowohl mein Mann als auch ich sitzen den ganzen Tag am Schreibtisch. Wir sind nur zu dritt und zudem den ganzen Tag außer Haus, so dass auch gar nicht so viel Hausarbeit anfällt. Natürlich könnte ich eine Putzhilfe engagieren und dann den ganzen Abend auf der Couch sitzen und mir Unsinn im Fernsehen oder im Internet angucken. Ich kann mir aber auch meine Bluetooth-Kopfhörer auf die Ohren tun, einen interessanten Podcast oder meine Lieblingsmusik hören und dabei Wäsche zusammen legen, aufräumen oder putzen und habe dabei noch ein bisschen Bewegung ;-) und manchmal finde ist es sogar höchst befriedigend, eine Arbeit zu verrichten deren Ergebnisse sofort sichtbar sind - was bei meinem Bürojob leider nicht immer der Fall ist. Diese Denkweise habe ich mir von meinem Mann abgeguckt, der schon seit Jahren beim Tatortgucken bügelt und meint, dass es ihm deswegen auch gar nichts mehr ausmacht.

Wie immer der Hinweis, dass mein Bericht nur wiederspiegelt, wie wir das machen. Das soll kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit sein - zumal das auch nur aus zwei Gründen überhaupt funktioniert: erstens: weil das Kind um 20 Uhr schläft und wir bis morgens um 7 Uhr nichts mehr von ihm hören und zweitens: Weil mein Mann und ich Jobs haben, die körperlich nicht anstrengend sind so dass wir die die Bewegung durch abendliche Hausarbeit nicht als Belastung empfinden.

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Samstag, 13. Juli 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 2: Gute Kita
Wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten wollen, geht es natürlich nicht ohne die sogenannte "Fremdbetreuung".

Ich mag dieses Wort nicht. Es hat einen negativen Beigeschmack und klingt danach, als ob wir unser Kind jeden Morgen einfach bei Fremden abladen.

Es ist mir klar, dass es Kitas gibt, in denen die Kinder nicht optimal betreut werden wegen Personalmangel etc. Umso mehr sind mein Mann und ich heilfroh, dass unsere Kita echt klasse ist. Zum einen ist es eine besondere Kita mit erweiterten Zeiten, die organisatorisch so aufgestellt ist, dass Vollzeitarbeit wirklich möglich ist. Das heißt im Einzelnen:
- erweiterte Öffnungszeiten von 5.30 Uhr bis 23 Uhr (das Kind darf natürlich wie überall maximal 10 Stunden am Stück da bleiben)
- optionale Samstagsbetreuung
- keine festen Betriebsferien
- eine Kinderkrankenschwester gehört zum Personal
- Medikamente dürfen verabreicht werden
- ein richtig guter Personalschlüssel


Warum ist das alles so wichtig? Im Normalfall läuft es bei uns so, dass mein Mann das Kind um ca. 7:45 Uhr in die Kita bringt und ich es um ca. 16.30 Uhr abhole. Ich fange früh im Büro an und sitze spätestens um halb acht am Schreibtisch, so dass ich um 16.00 Uhr Feierabend machen kann.

Warum dann die erweiterten Zeiten? Nun, wenn mein Mann auf Dienstreise ist oder ich einen wichtigen Termin habe oder einfach im Stau stehe oder es brennt und ich doch länger bleiben muss, funktioniert es trotzdem, da das Kind theoretisch bis 17:45 Uhr in der Kita bleiben kann. Das ist nicht die Regel, hat uns aber ein paarmal schon echt den Arsch gerettet.

Dass Medikamente verabreicht werden dürfen ist auch echt erforderlich, damit es mit der Arbeit vereinbar ist. Es kommt ja durchaus vor, dass ein Kind z.B. eine Mittelohrentzündung hat und nach 3 Tagen fieberfrei und wieder fit ist, aber noch ein paar Tage 3 mal am Tag ein Antibiotikum einnehmen muss. Ich kenne das von anderen Eltern in anderen Kitas, dass die dann in der Mittagspause in die Kita fahren müssen, weil dort keine Medikamente verabreicht werden können. Das würde bei meinem Mann und mir wegen der Fahrtzeiten fast gar nicht funktionieren.

Die Samstagsbetreuung haben wir bisher nicht in Anspruch nehmen müssen, aber es ist nett zu wissen dass die Möglichkeit besteht falls sich abzeichnet, dass arbeitstechnisch irgendwo was brennt und fertig werden muss.

Der richtig gute Personalschlüssel erklärt sich von selber. Es ist in den 6 Monaten, die unser Kleiner dorthin geht noch nie vorgekommen dass dort ein Zettel klebte wo draufstand, dass man nach Möglichkeit die Kinder zu Hause lassen soll weil grade zu wenig Personal verfügbar ist. Ich weiß von einer Freundin, dass in der hiesigen kommunalen Kita (das wäre bei uns die zweite Option gewesen) diese Situation schon in dem Zeitraum zweimal aufgetreten ist.

Dass das so ist, hat natürlich einen Grund, und der liegt am Geld. Der einzige Nachteil an unserer Kita sind die Kosten. Wir bezahlen über 600€ im Monat, Mittagessen noch separat. Darin sind aber auch Windeln, Frühstück und Nachmittagssnack enthalten.

Für meinen Mann und mich ist das finanziell zum Glück überhaupt kein Problem. Eine alleinerziehende Altenpflegerin kann an dieser Stelle nur müde lächeln, das ist mir klar.

Wir zahlen das auch gerne, weil unser Kind wirklich sehr gut in der Kita aufgehoben ist. Nicht ein einziges Mal haben wir es erlebt, dass wir ihn abgeholt haben und er eine volle Windel hatte. Die Erzieherinnen haben weil genug Leute da sind wirklich Zeit und Raum, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Es ist schon vorgekommen, dass ich meinen Sohn friedlich schnarchend im Tragetuch bei seiner Bezugserzieherin vorfand, während die ganze Meute draußen spielte. Er hatte sich so müde gespielt, dass trotz Mittagsschlaf noch ein kleines power nap sein musste. Wenn man mit 2 Erzieherinnen 12 U3 Kinder betreuuen muss, hat das müde Kind einfach Pech gehabt. In der Gruppe meines Sohnes, wo auf 12 Kinder 5 Erzieherinnen kommen packt sich eine Erzieherin das müde Kind einfach ins Tragetuch und schuckelt es.

Die Erzieherinnen sind alle sehr nett und wirken auch nicht übermäßig gestresst. Im Gespräch habe ich schon öfters gehört, dass eigentlich alle sehr gerne in dieser Kita arbeiten - hauptsächlich deswegen, weil einem der gute Personalschlüssel ermöglicht, so zu arbeiten und so auf die Kinder einzugehen, wie man es sich wünscht. Das ist in Deutschland leider nicht selbstverständlich.

Das pädagogische Konzept spielt hier natürlich auch mit rein. In dem wird formuliert, dass auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden soll. Dass das nicht nur auf dem Papier steht kann ich voll bestätigen. Wenn mein Sohn schon vor dem Mittagessen sehr müde ist, macht er seinen Mittagsschlaf eben vor dem Mittagessen. Wenn ihm das Mittagessen absolut nicht schmeckt muss er es nicht essen, sondern kriegt alternativ ein Butterbrot angeboten (was übrigens fast nie vorkommt, ihm schmeckt es dort sehr gut; oft höre ich beim Abholen: "hat 2 große Portionen zu Mittag gegessen").

Wenn er auf das Programm in seiner Gruppe keine Lust hat und lieber erkunden will, was in der Nachbargruppe los ist, darf er das. Die Eingewöhnung wurde nach dem Berliner Modell gemacht und hat bei uns wirklich absolut wunderbar funktioniert.

Auch sehr positiv finde ich, dass ein Protokoll geführt wird und ich beim Abholen gesagt bekomme, was so los war, also wie viel das Kind gegessen und geschlafen hat, ob es Stuhlgang hatte, was an dem Tag so gemacht wurde etc. Das erste Entwicklungsgespräch hat 2 Stunden gedauert und es wurde ganz ausführlich wirklich alles besprochen und war professionell vorbereitet.

Natürlich waren mein Mann und ich anfangs in Sorge, ob denn alles hinhaut, ob es für so ein kleines Kind nicht zu viel ist, Vollzeit in die Kita zu gehen. Aber er fühlt sich ganz offensichtlich wohl dort (wenn ich ihn abhole, will er oft erst nicht mitgehen). Uns gefällt auch, was dort alles mit den Kindern gemacht wird - da sind Dinge bei, die wir ihm gar nicht bieten können (ich sag nur Wasserspielplatz!). Die Beziehung zu den Kindern ist sehr herzlich (siehe Schuckelm im Tragetuch), es ist nicht Ungewöhnliches dass eine Erzieherin beim Abohlen zu meinem Kind sagt "Tschüss, mein kleiner Sonnenschein! Bis morgen!".

Meiner Meinung nach sollte so eine Kita Standard sein. Leider ist das nicht der Fall. Hier im Landkreis ist das auch die einzige Kita dieser Art und man muss übrigens vom Arbeitgeber bestätigt kriegen, dass man einen erweiterten Bedarf hat, der in der normalen Kita nicht abgedeckt wird (was bei jemandem, der Vollzeit arbeitet schnell der Fall ist. Ich sag nur Schließzeit 16 Uhr - in vielen Kitas ganz normal).

Übrigens gab es vor ein paar Wochen über diese Kita einen Bericht in der hiesigen regionalen Zeitung. Ein später veröffentlichter Leserbrief hat sich zu den erweiterten Zeiten sehr kritisch geäußert, der Tenor war "jaja, damit auch die armen Mütter von der Wirtschaft optimal ausgebeutet werden können und Vollzeit arbeiten müssen". Geschrieben hat diesen Leserbrief - natürlich - ein Mann....

Leider begegnet mir diese Haltung öfters. Ich finde das schade. Gute Kitas sind keine Notlösung und keine seelenlosen Kinderverwahranstalten. Gute Kitas unterstützen nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder in ihrer Entwicklung durch Personal, dass dafür professionell ausgebildet ist.

In dem Sinne: Ein Hoch auf die Kita!

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Dienstag, 25. Juni 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 1: Gleichberechtigte Elternschaft
Als mein Mann vor 14 Jahren den Wunsch geäußert hat, mit mir zusammen zu ziehen, habe ich mich erst sehr gefreut. Dann habe ich zu ihm gesagt: "Können wir gerne machen. Aber nur, wenn wir vorher eine Liste der anfallenden Haushaltsarbeiten erstellen, besprechen wie oft was gemacht werden soll, wer welche Vorlieben hat und die Hausarbeit gerecht aufteilen." (Ja, ich war damals schon feministisch. Und ich war gewissermaßen ein gebranntes Kind).

Stille. Große Augen. Dann meinte er "Du hast völlig Recht. Wir studieren beide, wir haben beide noch einen Nebenjob, es gibt keinen Grund warum einer von uns mehr machen sollte".

Dann schrieben wir alles auf und machten einen Haushaltsplan. Der sah so aus: Aufgrund von persönlichen Vorlieben gilt, dass er immer bügelt, einkauft und staubsaugt (1 mal die Woche) und ich immer koche (an den Wochenenden und wenn wir nicht in die Mensa gehen) und die Wäsche wasche. Gründlich geputzt wird alle 14 Tage am Wochenende. Einer macht Bäder und Küche, der andere wischt feucht Staub, es wird abgewechselt. Jeder räumt seinen eigenen Kram weg. Geschirr spülen jeden Abend, es wird abgewechselt.

Das funktionierte sehr gut. Im Laufe der Jahre wurde das Modell weiter verfeinert und es wurden notwendige Anpassungen vorgenommen. Ich brauche jetzt nicht ins Detail zu gehen, das Wichtige ist: Wir haben ein 50/50 Modell von Anfang an gelebt. Ich habe meinem Mann nie hinterher geräumt. Ich musste ihn nie "bitten", im Haushalt zu "helfen" - er hat immer selbstständig seinen Teil getan. Im Folgenden beschreibe ich das ziemlich im Detail, damit jede/r versteht, was ich mit "gleichberechtiger Elternschaft" meine.

Folglich war es nur logisch, dass sich das fortsetzen sollte, als es an die Kinderplanung ging. Als mein Mann einen Kinderwunsch äußerte, meinte ich "können wir gerne machen, aber nur wenn wir es gerecht aufteilen. Ich möchte weiterhin Vollzeit arbeiten, und ich kriege nur ein Kind mit Dir, wenn Du bereit bist, 6 Monate Elternzeit zu machen".

Erst gab es einige Einwände, weil mein Mann mehr verdient als ich und der finanzielle Verlust in seiner Elternzeit höher ausfällt als bei mir, weil es einen Höchstbetrag für das Elterngeld gibt, ab dem gekappt wird. Ich blieb jedoch hart und meinte, wenn ihm Geld wichtiger sei als die Möglichkeit, öffentlich finanziert 6 Monate exklusiv mit seinem Kind zu verbringen, wäre sein Kinderwunsch wohl doch nicht so stark. Außerdem wollte ich nicht, dass meine Karriere mehr leiden würde als seine. Zumal ich, wenn er 6 Monate Elternzeit nimmt und wir davon ausgehen, dass das Kind mit 12 Monaten die Kitaeingewöhnung anfängt dennoch länger aus dem Beruf raus sein würde, weil zu meinen 6 Monaten Elternzeit noch der Mutterschutz kommt.

Er stimmte dann sehr schnell zu, und das war wirklich in vielerlei Hinsicht einfach Gold wert. Wir besprachen auch, wie es direkt nach der Geburt und in meiner Elternzeit laufen wollte. Der Deal war: Er macht nach der Geburt 3 Wochen Urlaub. Wenn ich es schaffe, koche ich vor und friere ein, sonst ist er im Haushalt für alles zuständig, damit ich im Wochenbett die nötige Ruhe habe. Je nachdem wie anstrengend es mit dem Baby ist, macht er außer kochen den gesamten Haushalt. Dafür darf er die Nächte ungestört im Elternschlafzimmer verbringen, ich schlafe beim Kind im Kinderzimmer. In seiner Elternzeit wenn ich Vollzeit arbeite wird das Modell entsprechend umgekehrt.

So war der grobe Plan, und im Wesentlichen hat das auch so geklappt. Unser Kind wurde die ersten Monate voll gestillt, was ich körperlich teils sehr anstrengend fand. Umso besser war es, dass ich mir keinen Kopf machen musste, dass alles im Chaos versinkt. Mein Mann hat ohne das ich ihn an etwas hätte erinnern müssen eingekauft, Wäsche gemacht und geputzt. Ich konnte mich völlig auf die Versorgung des Babies konzentrieren, schlafen wenn das Baby schläft und bei heißem Wetter 12 Mal am Tag stillen.

Außerdem hatten wir die Abmachung, dass ich einen Tag in der Woche ungestört alleine im Elternschlafzimmer schlafen darf, mein Mann beim Kind schläft und ich nur zum Stillen geweckt werde. Meistens habe ich für diese Nächte abgepumpte Milch bereit gestellt, so dass eine nächtliche Mahlzeit von meinen Mann gegeben werden konnte. So konnte ich wenigstens eine Nacht in der Woche 6-7 Stunden am Stück schlafen. Im Nachhinein denke ich, dass ich wahrscheinlich nicht so lange hätte stillen können, wenn wir dieses Modell nicht gelebt hätten. Ganz davon abgesehen, dass es der Harmonie in unsere Ehe und meiner seelischen Gesundheit sehr zuträglich war.

Übrigens habe ich phasenweise von mir aus, wenn ich mich ausgeruht gefühlt habe mehr gemacht. Ließ mich das Baby 7 Stunden am Stück schlafen, habe ich tagsüber auch mal die Wäsche gemacht oder geputzt und nicht auf meinem Recht "gepocht", nichts im Haushalt machen zu müssen.

Als das Kind 8 Monate alt war, ging ich wieder arbeiten (jawoll, Vollzeit, 40-Stunden-Woche) und die Elternzeit meines Mannes begann. Zu dem Zeitpunkt wurde das Kind noch morgens, abends vor dem Schlafengehen und 1-2 mal pro Nacht gestillt. Das ließ sich mit der Arbeit größtenteils vereinbaren, die Verabredung war, dass ich einmal pro Nacht zum Stillen geweckt werden kann und ggf. die zweite Fütterung mit Pulvermilch (an die das Kind zu dem Zeitpunkt auch schon gewöhnt war ) passiert. Da die Nächte generell schon besser waren als in meiner Elternzeit, hat mein Mann in seiner Elternzeit viel mehr Haushaltsarbeit erledigt als ich in meiner Elternzeit, ganz von sich aus. Genauso wie ich hat er nicht auf seinem Recht "gepocht", nichts im Haushalt machen zu müssen.


Soviel zur Elternzeit. Wie läuft es jetzt, wo wir beide arbeiten?

Das Kind hat sich mit 11 Monaten selbst abgestillt und schläft netterweise seitdem es 1 Jahr alt ist durch. Das heißt, in den allermeisten Nächten schläft es um 20 Uhr ein und wacht zwischen 6:30 Uhr und 7:30 Uhr auf und man hört dazwischen nichts von ihm. Mein Mann bringt es morgens kurz vor acht 08:00 Uhr in die Kita, ich bin zwischen 7:00 und 7:30 im Büro, mache in der Regel um 16.00 Uhr Feierabend und hole das Kind ab. Die Nächte wechseln wir von der "Zuständigkeit" her ab. Ich darf samstags ausschlafen, er sonntags. Die Haushaltsaufteilung läuft wie ursprünglich gehabt (mit Unterstützung von Robert, unserem Staubsaugerroboter). Ist das Kind krank oder muss zum Arzt, wird abgewechselt. Jeder hat regelmäßig "lange Tage" wo er oder sie wegen Hobbyausübung erst abends spät nach Hause kommt (mehr dazu später unter dem Punkt "Organisatorisches").

Im Fazit heißt das, dass ich Arbeit und Kind deswegen "schaffe" weil ich die Last eben nicht alleine trage. Mein Mann weiß genau, was es heißt, mit einem Baby oder Kleinkind den ganzen Tag alleine zu sein. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, ob er es wettergerecht anzieht. Ob er sieht, wenn es wund ist und ihm den Popo eincremt. Er kennt das Personal der Kita genauso gut wie ich. Ich kann abends zum Sport oder mal mit den Kolleginnen was trinken gehen ohne dass ich mir Sorgen machen müsste, ob er klarkommt. Mein Mann weiß, welche Kleidergröße das Kind grade hat (fun fact: er weißt seine eigene Kleidergröße nicht immer. Die vom Kind hingegen schon). Er schreibt Windeln in die Einkaufsapp wenn er sieht, dass die zur Neige gehen.

Aus meiner Sicht wäre es für mich nicht möglich, Vollzeit arbeiten zu gehen, wenn mein Mann ein "Freizeitpapa" wäre. Ich würde es zum einen zeitlich gar nicht schaffen, zum anderen würde ich ohne die persönlichen Freiräume, die ich dadurch habe sehr unglücklich werden. Deswegen bin ich froh, dass unsere gleichberechtigte Partnerschaft nicht mit der Geburt des Kindes geendet hat, sondern vielmehr weiter dadurch gewachsen ist. Das ermöglicht uns beiden auch, die schönen Seiten den Elternsein zu genießen. Weil wir wissen, dass wir die anstrengenden Seiten gemeinsam schultern und uns gegenseitig unterstützen. Und das ist abgesehen davon, dass ich weiter meinen Beruf ausüben kann wie ich es möchte, finanziell komplett unabhängig bin und mir keine Sorgen um meine Rente machen muss eigentlich der schönste Aspekt an gleichberechtigter Elternschaft.

Nächstes Mal geht es dann weiter mit Punkt 2: 2. Gute Kita mit erweiterten Betreuungszeiten.

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Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Intro
Oft werde ich gefragt, wie ich das denn schaffen würde, so mit Arbeit und Kind. Wer mich kennt weiß schon, dass die Frage an sich falsch gestellt ist. Richtig wäre "wie schaffen Du und Dein Mann das denn so mit Arbeit und Kind?" Es sei vorweg genommen, dass wir keine Großeltern in der Nähe wohnen haben, die regelmäßig helfen könnten.

Die Frage ist nicht ganz unberechtigt. Die Lebensbedingungen und die Infrastruktur hierzulande sind in der Tat im Normalfall nicht dafür ausgelegt, dass beide Eltern Vollzeit arbeiten und ohne zusätzliche Unterstützung auskommen. Ich kann nach einem halben Jahr ein erstes Fazit ziehen und folgende Dinge benennen, die dazu beitragen, dass mein Mann und ich es nicht nur "schaffen" sondern sogar sagen können, dass es so wie es ist bisher gut läuft und es uns gut geht:

1. Gleichberechtigte Elternschaft
2. Gute Kita mit erweiterten Betreuungszeiten
3. Organisation und Helferlein im Alltag
4. Privilegierte berufliche Situation
5. Gesundes Kind ohne überdurchschnittliche Bedürfnisse (also kein high-need Kind)
6. Hilfe im Notfall
7. Persönlicher Freiraum
8. Glück

Die Serie soll erstmal nur beschreiben, wie es bei uns läuft, was bei uns funktioniert und was nicht. Sie stellt keine Handlungsempfehlung dar und niemand, bei dem es anders ist soll sich deswegen ans Bein gepinkelt fühlen. Insbesondere weil einige Punkte nicht unserem Einfluss unterliegen. Wie unsere Familie tickt, stellt einen Weg von vielen möglichen dar.

Weiterhin ist unsere Sichtweise dadurch beschränkt, dass wir weiß, cis, hetero, zusammenlebend und finanziell gut gestellt sind. So ziemlich das einzige, was bei uns von der Norm abweicht ist, dass ich als Mutter eines unter Dreijährigen Vollzeit arbeite (ach ja, und mein Mann ist Ausländer, aber ein EU-Ausländer einer Nationalität, die so gut wie keinerlei negativen Vorurteilen oder Erschwernissen im Alltag ausgesetzt ist.) Das Unvertändnis, das mir schon deswegen entgegen schlägt lässt mich nur im Ansatz erahnen, wie vielen Mikroaggressionen LGBT, people of color, behinderte Menschen und viele andere marginalisierte Gruppen tagtäglich ausgesetzt sind.

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