Dienstag, 6. August 2019
Vereinbarkeitsspagat Teil 5. Gesundes Kind ohne überdurchschnittliche Bedürfnisse (also kein high-need Kind)
Wie ja schon an einigen Stellen durchgeklungen ist, habe ich mir sehr viele Gedanken im Vorfeld der Kinderplanung gemacht. In meinem Familien- und Freundeskreis hatten zudem viele schon Kinder, und da alle ziemlich ehrlich berichtet haben, wusste ich dass man nicht wirklich im Vorfeld weiß, was auf einen zukommt.

Das liegt natürlich daran, dass Kinder extrem unterschiedlich sind und daran, dass die persönlichen Belastungsgrenzen und Bedürfnisse der Eltern auch sehr unterschiedlich sind. Ein Kind, das von einer Person als pflegeleicht empfunden wird, ist für jemand anders anstrengend.

Ein Kind kann sehr krank zu Welt kommen. Ein Kind kann durch eine Infektion oder einen Unfall sehr krank werden. Ein Kind kann auch etwas haben, das an sich medizinisch nicht schlimm ist und gut behandelt werden kann - aber auch das ist fordernd, sowohl emotional als auch vielleicht organisatorisch und zeitlich.

Es gibt high-need-Kinder, die als Babies stundenlang schreiben, nicht abgelegt werden wollen und im Erlernen ihrer Impulskontrolle und Frustrationstoleranz überdurchschnittlich lange brauchen. Leider habe ich oft mitgekriegt, wie diesen Eltern häufig wenig Verständnis entgegen gebracht wird (das ist vielleicht noch Thema für einen eigenen Blogeintrag).

Unser Kind kam glücklicherweise gesund zur Welt. Außer den normalen Infekten, die zu Anfang der Kitazeit gehäuft, aber noch im normalen Rahmen auftraten war bisher nichts. Er hatte bisher insgesamt zweimal Magen-Darm, zweimal Mittelohrentzündung, einmal eine schwere Erkältung mit Fieber, eine Mandelentzündung und das 3-Tage-Fieber. Die Rotznase im Winter zähle ich nicht mit, denn das war bisher bei ihm immer so harmlos, dass er in seinem Wohlbefinden nicht beeinträchtigt war und wie gewohnt in die Kita gehen konnte. Die anderen Infekte hat er auch schnell überwunden.

Ich kenne zwar Kinder, die weniger oft krank sind, auch zu Beginn der Kitazeit, aber ich kenne auch viele Kinder, die wesentlich häufiger und dann länger krank sind. Zusammengefasst würde ich sagen, dass unser Kind in Bezug auf Krankheiten bisher ziemlich im Durchschnitt liegt.

Bezüglich der Bedürfnisse war er als Baby pflegeleicht. Von Anfang an wollte er am liebsten alleine in seinem Bettchen schlafen, geweint hat er wenig und wenn, dann meistens weil er hungrig war - ein Problem, das sich zum Glück bei einem Stillkind schnell lösen lässt. Ich konnte ihn sogar tagsüber auch wenn er wach war für einige Minuten alleine im Raum lassen, das war kein Problem.

Anstrengend fand ich in der Babyzeit trotzdem das nächtliche Stillen - 6 Stunden Schlaf am Stück hat er mit ca. 8 Monaten geschafft. Deswegen bin ich in den ersten Monaten meistens auch schon um 20 Uhr zu Bett gegangen, weil mich der fragmentierte Schlaf so belastet hat.

Seit seinem ersten Geburtstag schläft er durch. Unsere Einschlagbegleitung sieht so aus, dass wir um 19.30 Uhr hochgehen, ihn gemeinsam bettfertig machen und ihm ein Liedchen vorsingen. Im Wechsel bleibt dann einer von uns im Kinderzimmer, setzt sich mit ihm in den Sessel, gibt ihm eine Abendflasche und legt ihn hin. Nach 10-20 Minuten hat er sich ausgebröselt, ist eingeschlafen und man kann den Raum verlassen. Ich lege in der Zeit entspannt meine Füße hoch und lese meine Twitter-Timeline nach.

Das heißt, die Abende gehören uns, und mir ist bewusst, dass wir da echt den Joker gezogen haben. Wenn wir jeden Tag abends Stunden brauchen würden, um dem Kind zu helfen runter zu fahren und einzuschlafen - bei high-need-Kindern keine Seltenheit - wären wir sehr viel gestresster.

Anstrengend ist das Kind derzeit in Bezug auf Explorationsdrang und Autonomiebestreben. Er will überall ran, alles haben, tun was er will und auch dass wir tun, was er will. Man kann ihn folglich keine Sekunde aus den Augen lassen weil man befürchten muss, dass er sonst abhaut, irgendwo hochklettert oder Ähnliches. Folglich ist unser Familienleben derzeit sehr geprägt davon, dass wir ständig aushandeln, was er darf und was nicht und ihn durch seinen Frust begleiten, wenn er an die von uns gesetzten Grenzen stößt. Wir schaffen es meistens, Ruhe und Nerven zu behalten - was aber daran liegt, dass wir genau wissen dass wir spätestens um 20 Uhr Zeit und Raum nur für uns haben ;-).

Wieder kann ich nur für mich persönlich sprechen, aber ich kann mir schwer vorstellen, dass ich einen Vollzeitjob schaffen würde, wenn regelmäßige medizinische Termine erforderlich wären oder ich nachts mit dem Kind mehrmals wach wäre. Ich würde mich auch als eher wenig belastbar einstufen. Umso mehr sind bei uns folglich die Gesundheit und die Bedürfnisse des Kindes ein wesentlicher Faktor für die Vereinbarkeit von Familie und Vollzeitarbeit.

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