Dienstag, 29. Juni 2021
Urlaubsbloggen
Habe mir selber für den Urlaub eine Twitterpause verordnet. Wie immer wenn ich weniger twittere, wird dafür mehr gebloggt.

Tag 1 (Samstag)
Wir stehen in der Nacht zu Samstag um halb drei auf, das Auto ist schon weitgehend gepackt. Mit Frühstück im Gepäck fahren wir los. Das Kind ist etwas aufgeregt, schläft aber gut im Auto. Um 10 Uhr vormittags treffen wir bei den Schwiegereltern in Tschechien ein. Coronakontrollen gibt es an der Grenze momentan gar nicht.

Nachmittags gehts in den Schrebergarten. Wir merken unsere Isolation des letzten Jahres auch daran, dass das Kind örtlich verwirrt ist. Die Schwiegereltern wohnen in einem Plattenbau und haben etwas außerhalb einen Schrebergarten, in dem auch ein kleines Häuschchen steht. Dieses Konzept ist dem Kind unbekannt, bei uns zu Hause hat man ein Haus und einen Garten am gleichen Fleck und wir müssen ihm das mit den vielen Wohnungen in einem großen Haus und dem Garten woanders erklären.

Sprachlich gibt es zum Glück keine Probleme, da wir in den letzten Monaten zu Hause eingeführt hatten, dass wenn mein Mann anwesend ist nur tschechisch gesprochen wird. Davon haben sowohl ich als auch das Kind profitiert, er switcht problemlos. Berührungsängste zu meinen Schwiegereltern gibt es auch keine, obwohl wir uns alle das letzte Mal im Oktober gesehen haben. Videotelefonie sei dank.

Der Mann und ich sind nach der nächtlichen Autofahrt recht fit, wir werden das jetzt immer so machen. Früher sind wir mit dem Kleinen abends gegen 20 Uhr losgefahren, waren dann nachts bei den Schwiegereltern. Das letzte Mal hat das Kind vor lauter Aufregung dann aber nicht mehr schlafen können, wir auch nicht. Die erste Nachhälfte schlafen und dann losfahren ist wesentlich erholsamer. Das Kind findet Autofahren offenbar spannend genug, dass es ein paar Wachstunden im Auto ohne Langeweile und Zusatzbespaßung gut aushält.

Dennoch gönnen wir uns im Gartenhäuschen ein kleines Mittagsnickerchen. Ich fühle mich danach so bombig erfrischt, dass ich noch am frühen Abend noch eine halbe Stunde an der Elbe joggen gehe.

Abends betrinken wir uns ein wenig mit Sekt.

Tag 2 (Sonntag)
Das Kind schläft bis 7 Uhr. Wir stehen auf, meine Schwiegermutter ist schon wach und beordert mich zurück ins Bett. Das nehme ich natürlich gerne an.

Gegen 10 Uhr stehe ich dann auf. Heute ist großer Familientag, gegen Mittag trudeln meine Schwägerin mit Ehemann und beiden Kindern ein. Nach dem Mittagessen fahren wir wieder in den Schrebergarten. Dort baut Schwiegerpapa einen kleinen Pool/großes Plantschbecken auf. Die Erfrischung ist willkommen, wir chillen, spielen, plantschen, toben. Bis auf meine Schwägerin, sie setzt sich unter die Pergola in den Schatten und bewegt sich die meiste Zeit nicht.

Mein Neffe (12) spielt stundenlang hingebungsvoll mit meinem Sohn, was ich erstaunlich finde, ist der Kleine ja erst 3,5. Aber die zwei haben irgendwie eine Connection und es ist sehr schön anzusehen, mit wie viel Phantasie und Kreativität sie zugange sind.

Tag 3 (Montag)
Mir fällt auf, dass dies für mich der erste Urlaub seit Jahren ist, den ich wirklich als Urlaub zur Erholung und nicht nur als notwendige Pause kurz vor dem Zusammenbruch empfinde. Die berufliche Situation ist momentan so entspannt, ich muss die freie Zeit nicht dazu nutzen, innerliche Spannungen abzubauen. Folglich fühle ich mich jetzt schon so ruhig und gechillt wie seit Ewigkeiten nicht mehr.

Das merke ich auch an der Energie. Ich gehe am frühen Abend wieder laufen und schaffe aus dem Stand 5 km in einer gar nicht so schlechten Zeit.

Anders geht es leider dem Mann. Er klagt schon Sonntag abends über Kopfweh, geht um 21 Uhr ins Bett und hängt den ganzen Montag in den Seilen. Ich hatte ehrlichgesagt damit gerechnet, da er aus diversen Gründen grade eine etwas schwere Zeit hat und es in meinen Augen abzusehen war, dass er jetzt etwas abschmiert.

Ich halte ihm die überbesorgten Schwiegereltern vom Leib, verpasse ihm eine Ibu, schicke ihn wieder ins Bett und schaue, dass wir in den Schrebergarten fahren, damit er ein paar Stunden ganz allein für sich seine Ruhe haben kann. Das hilft dann auch, abends fühlt er sich schon wieder besser.

Tag 4 (Dienstag)
Gleiches Programm, ausschlafen, nachmittags in den Schrebergarten. Im Planschbecken mache ich mit dem Kind einige erste Schwimmübungen, er legt sich in Bauchlage aufs Wasser, ich halte ihn mit einer Hand und lasse ihn spüren, wie das Wasser trägt. Dabei merke ich, dass wir hier Nachholbedarf haben, ich konnte als Kind in seinem Alter schon mehr paddeln und auch tauchen, weil meine Eltern mit uns im Winter jede Woche im Schwimmbad waren. Das ging coronabedingt halt nicht.

Den Weg aus dem Schrebergarten zurück gehe ich zu Fuß, um ein wenig Bewegung und Zeit für mich alleine zu haben. Obwohl ich das letzte Mal vor 4 Jahren oder so die Schleichroute über die Felder gegangen bin, finde ich den Weg auf Anhieb problemlos. Wieder einmal bin ich froh darüber, eine gute Grundorientierung und ein gutes örtliches Gedächtnis zu haben, ich muss kein einzige Mal google maps konsultieren um zu wissen, wo ich bin. So treffe ich dann auch wohlbehalten wieder bei den Schwiegerelten ein (die sich tatsächlich gesorgt hatten, ob ich den Weg alleine finde).

Tag 5 (Mittwoch)
Wir stehen etwas früher auf, um in der nächsten Kreisstadt Bettwäsche zu kaufen. Aus komplizierten Gründen können wir uns Deutschland keine kaufen, weil unsere Kissen ein anderes Format haben, nämlich das in Tschechien übliche. Wir erwerben zwei Garnituren, spazieren ein wenig durch die sehr hübsche Stadt, trinken auf dem Marktplatz einen Eiskaffee.

Dann verschwinde ich eine Stunde zur Maniküre/Pediküre. Das ist ein spontaner Entschluss, das Studio spricht eigentlich ein eher jüngeres Publikum an, aber da es dort Maniküre und Pediküre gibt und grade frei ist, beschließe ich es dort zu versuchen. Das war eine gute Entscheidung, denn obwohl man dort überwiegend spitze, lange Acrylnägel in sehr bunten Designs macht, bekomme ich meine gewünschte klassische Behandlung ohne Probleme. Meine Füße erhalten das komplette Wellnessprogramm incl. Sprudelbad, Peeling und Massage. Die Technomucke kann ich mental offenbar gut ausblenden, meine Smartwatch zeigt mir zu meiner großen Erheiterung für die halbe Stunde, in der ich im Pediküresessel, saß ein Nickerchen an.

Nachmittags dann wieder Schrebergarten, diesmal mit Grillen. Abends trinken wir zusammen Wein und spielen Karten.

Dabei kommt in der Unterhaltung nebenbei heraus, dass meine Schwiegereltern glauben, die Wahl in den USA sei manipuliert gewesen und Trump hätte eigentlich gewonnen. Mein Mann ist ebenso schockiert wie ich, wir sind aber zu müde und zu angetrunken, um das Thema weiter zu verfolgen.

Sowieso merkt man bei meinen Schwiegereltern leider, dass die ältere Generation Schwierigkeiten hat, Nachrichten im Netz korrekt zu filtern. Erschwert wird das dadurch, dass (verständlicherweise) immer noch aus den Zeiten des Sozialismus ein tiefes Misstrauen gegenüber den klassischen Nachrichtenmedien besteht, da diese zu Zeiten des Eisernen Vorhangs ziemlich propagandalastig war. Das macht in der Kombination offenbar empfänglich für Verschwörungstheorien.

Ich weiß auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Immerhin sind sie keine Coronaleugner und auch zweifach geimpft, trotzdem macht mir diese fehlende Medienkompetenz Sorgen. In der tschechischen Medienlandschaft kenne ich mich auch zu wenig aus, um in der Hinsicht etwas Hilfreiches beizutragen.

Tag 6 (Donnerstag)
Wieder ausschlafen. Es regnet immer wieder, daher fahren wir nicht in den Garten. Mein Mann fährt nach dem Mittagessen nach Prag, um sich mit seinem besten Kumpel zu treffen. Ich bleibe mit den Schwiegereltern und dem Kind zu Hause, wir spielen, machen einen Spaziergang mit dem Laufrad und versuchen krampfhaft Unterhaltungen über Politik zu vermeiden.

Ebenfalls wenig zuträglich für meine Laune ist, dass meine Schwiegereltern in klassischer Großelternmanier das Kind verziehen. Sie geben wenn er etwas will sofort nach, belohnen mit Süßigkeiten und hofieren ihn wie einen kleinen Prinzen. Entsprechend beginnt er sich auch so zu benehmen, das Gegensteuern bei Trotzausbrüchen bleibt natürlich an mir hängen und so bin ich am späten Nachmittag nicht gut drauf.

Als Gegenmittel nutze ich eine Regenpause, um Laufen zu gehen. Ich kann gar nicht genug von der Bewegung bekommen, und so höre ich eher aus Vernunftgründen bei 7,5 km auf. Meine Smartwatch ist nicht glücklich mit mir und schimpft, ich hätte "exzessiv" trainiert.

Wenigstens bin ich nach dem Laufen angenehm geistig müde und folglich wieder tiefenentspannt. Ich schirme für den Rest des Tages den Kleinen ein bisschen von meinen Schwiegereltern ab, bringe ihn ins Bett und lese. Währenddessen gucken meine Schwiegereltern eine Naturdoku und so wird der Abend ganz okay. Als ich mich bettfertig mache, trifft der Mann wieder ein.

Tag 7 (Freitag)
Dank des Joggens am Vortag schlafe ich wie ein Stein. Das Kind ist allerdings schon kurz vor sechs wach, zum Glück ist die Schwiegermutter auch auf, so dass ich weiter schlafen kann.

So sehr ich diesen Luxus und die Entlastung schätze, ich merke im Laufe des Tages, dass mir das Aufeinanderhocken so langsam nicht mehr gut tut, auch nicht die ständigen subtilen Einmischungsversuche in unsere Erziehung. Meine Schwiegermutter ist unfähig, das Kind auch nur mal 5 Minuten in Ruhe zu lassen. Wir sitzen z.B. friedlich im Wohnzimmer, ich lese, der Kleine spielt mit Lego, alles ist ruhig - das erträgt sie ein paar Minuten, dann muss sie fragen ob das Kind nicht was essen oder trinken will, nicht zu kalt oder zu warm angezogen ist oder dies oder jenes machen möchte. Sehr anstrengend. Manchmal nimmt es auch absurde Züge an, sie sorgt sich tatsächlich, weil der Kleine nicht viel Fleisch isst, sondern lieber Obst und Gemüse mag.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass es sie fast wurmt, dass es nichts groß auszusetzen gibt und das Kind gut schläft, ohne Theater so ziemlich alles zu seinen festen Zeiten isst, weder zu dünn noch zu dick ist, pumperlgesund, aufgeweckt und alles in allem ein optimal entwickelter kleiner Junge ist. Es gibt nichts zu kritisieren, und das darf natürlich so nicht sein.

Aber macht nichts, heute ist der letzte Tag, den kriegen wir noch rum. Ich gehe mit dem Mann zusammen einkaufen - wir importieren regelmäßig Sachen, die es in Deutschland nicht zu kaufen gibt.

...

Wir gehen abends zeitig zu Bett, in der Nacht geht der Wecker, und wir fahren nach Hause.

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