Sonntag, 4. August 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 4: Privilegierte berufliche Situation
Prinzipiell ist es leider eher so, dass Kinder in Bezug auf den Beruf vor allem bei Frauen als Handicap empfunden werden. Dabei spielen die berufliche Situation, die Flexibilität des Arbeitgebers und sein fair play eine wesentliche Rolle in Bezug auf die Vereinbarkeit.

Die Benachteiligung von Müttern ist bekannt und belegt, ich will da an dieser Stelle gar nicht näher drauf eingehen. Selber habe ich damit beim meinem Ex-Arbeitgeber nach der Elternzeit auch Bekanntschaft gemacht; das habe ich bei Twitter ausgiebig in einem viel geteilten Thread beschrieben.

Was meine Situation von der vieler anderer Mütter unterscheidet: Anstatt zähneknirschend hinnehmen zu müssen, dass der Arbeitgeber einen mies behandelt weil man ein Kind hat, da man auf dem Arbeitsmarkt schlechte Karten hat, habe ich recht schnell eine neue Stelle gefunden und musste mir das nicht mehr antun. Einbußen in Position oder Gehalt musste ich dafür nicht in Kauf nehmen, im Gegenteil: Ich verdiene mehr, darf mehr Verantwortung übernehmen und habe sogar 5 Urlaubstage mehr im Jahr als vorher. Ach ja, und ich habe jetzt eine 39-Stunden Woche statt wie vorher 40 Stunden sowie wesentlich flexiblere Kernzeiten.

Mir ist bewusst, dass das eher die Ausnahme ist. Woran das liegt? Ich hatte das Glück, das "richtige" zu studieren. Das gute alte Ingenieursdiplom und 10 Jahre solide Berufserfahrung reichen hier in der Region aus, um ziemlich sofort einen Job zu finden. Der Fachkräftemangel ist in diesem Feld tatsächlich real vorhanden. Ich habe in meinem Vorstellungsgespräch sehr ehrlich von meiner Situation erzählt, nicht verschwiegen, dass ich ein Kind habe und es war kein Problem, weil mein Arbeitgeber froh war, überhaupt jemanden zu finden (mein Ex-AG war übrigens nicht so schlau, der konnte meine Stelle nicht nachbesetzen. Auch nicht die Stellen von Kollegen, die vor mir gegangen sind. Es spricht sich irgendwann halt rum, wenn man sich gegenüber seinen MitarbeiterInnen nicht fair verhält).

Dass ich in der Probezeit 20 Kranktage hatte, weil ich am Jahresanfang leider jeden Infekt hatte, den das frisch eingewöhnte Kind aus der Kita mitgebracht hat, wurde natürlich nicht mit Begeisterung aufgenommen, aber es hat auch keiner was Blödes gesagt. Gekündigt wurde ich deswegen nicht - in anderen Unternehmen und anderen Branchen hätte ich die Probezeit mit dem Krankenstand definitiv nicht überlebt.

So gesehen bin ich nicht nur weich gefallen, sondern wurde von meinem Ex-Arbeitgeber unbeabsichtigt die Treppe ein Stückchen hinauf geschubst.

Bei meinem Mann ist es ähnlich, sein Feld ist noch spezialisierter als meins, er ist defacto sehr schwer zu ersetzen und so stand sein Chef auch komplett hinter ihm, als er angekündigt hat, dass er 6 Monate Elternzeit macht. Wenn er zu Hause bleibt weil das Kind krank ist oder zum Arzt muss (wir wechseln uns auch da ab) ist das überhaupt kein Problem.

Wir verdienen auch so viel, dass die Kosten für Kinderbetreuung nicht groß ins Gewicht fallen; es lohnt sich auf jeden Fall finanziell, dass wir beide Vollzeit arbeiten gehen und so können wir uns die tolle Kita leisten.

Alles in allem haben wir also wirklich sehr, sehr großes Glück und sind sehr privilegiert, was unsere berufliche Situation angeht - nicht nur in Bezug auf die Randbedingungen und das Gehalt, sondern weil wir beide etwas machen, das uns liegt und das wir gerne tun. Und das macht es uns natürlich erst möglich bzw. viel einfacher, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

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