Samstag, 13. Juli 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 2: Gute Kita
Wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten wollen, geht es natürlich nicht ohne die sogenannte "Fremdbetreuung".

Ich mag dieses Wort nicht. Es hat einen negativen Beigeschmack und klingt danach, als ob wir unser Kind jeden Morgen einfach bei Fremden abladen.

Es ist mir klar, dass es Kitas gibt, in denen die Kinder nicht optimal betreut werden wegen Personalmangel etc. Umso mehr sind mein Mann und ich heilfroh, dass unsere Kita echt klasse ist. Zum einen ist es eine besondere Kita mit erweiterten Zeiten, die organisatorisch so aufgestellt ist, dass Vollzeitarbeit wirklich möglich ist. Das heißt im Einzelnen:
- erweiterte Öffnungszeiten von 5.30 Uhr bis 23 Uhr (das Kind darf natürlich wie überall maximal 10 Stunden am Stück da bleiben)
- optionale Samstagsbetreuung
- keine festen Betriebsferien
- eine Kinderkrankenschwester gehört zum Personal
- Medikamente dürfen verabreicht werden
- ein richtig guter Personalschlüssel


Warum ist das alles so wichtig? Im Normalfall läuft es bei uns so, dass mein Mann das Kind um ca. 7:45 Uhr in die Kita bringt und ich es um ca. 16.30 Uhr abhole. Ich fange früh im Büro an und sitze spätestens um halb acht am Schreibtisch, so dass ich um 16.00 Uhr Feierabend machen kann.

Warum dann die erweiterten Zeiten? Nun, wenn mein Mann auf Dienstreise ist oder ich einen wichtigen Termin habe oder einfach im Stau stehe oder es brennt und ich doch länger bleiben muss, funktioniert es trotzdem, da das Kind theoretisch bis 17:45 Uhr in der Kita bleiben kann. Das ist nicht die Regel, hat uns aber ein paarmal schon echt den Arsch gerettet.

Dass Medikamente verabreicht werden dürfen ist auch echt erforderlich, damit es mit der Arbeit vereinbar ist. Es kommt ja durchaus vor, dass ein Kind z.B. eine Mittelohrentzündung hat und nach 3 Tagen fieberfrei und wieder fit ist, aber noch ein paar Tage 3 mal am Tag ein Antibiotikum einnehmen muss. Ich kenne das von anderen Eltern in anderen Kitas, dass die dann in der Mittagspause in die Kita fahren müssen, weil dort keine Medikamente verabreicht werden können. Das würde bei meinem Mann und mir wegen der Fahrtzeiten fast gar nicht funktionieren.

Die Samstagsbetreuung haben wir bisher nicht in Anspruch nehmen müssen, aber es ist nett zu wissen dass die Möglichkeit besteht falls sich abzeichnet, dass arbeitstechnisch irgendwo was brennt und fertig werden muss.

Der richtig gute Personalschlüssel erklärt sich von selber. Es ist in den 6 Monaten, die unser Kleiner dorthin geht noch nie vorgekommen dass dort ein Zettel klebte wo draufstand, dass man nach Möglichkeit die Kinder zu Hause lassen soll weil grade zu wenig Personal verfügbar ist. Ich weiß von einer Freundin, dass in der hiesigen kommunalen Kita (das wäre bei uns die zweite Option gewesen) diese Situation schon in dem Zeitraum zweimal aufgetreten ist.

Dass das so ist, hat natürlich einen Grund, und der liegt am Geld. Der einzige Nachteil an unserer Kita sind die Kosten. Wir bezahlen über 600€ im Monat, Mittagessen noch separat. Darin sind aber auch Windeln, Frühstück und Nachmittagssnack enthalten.

Für meinen Mann und mich ist das finanziell zum Glück überhaupt kein Problem. Eine alleinerziehende Altenpflegerin kann an dieser Stelle nur müde lächeln, das ist mir klar.

Wir zahlen das auch gerne, weil unser Kind wirklich sehr gut in der Kita aufgehoben ist. Nicht ein einziges Mal haben wir es erlebt, dass wir ihn abgeholt haben und er eine volle Windel hatte. Die Erzieherinnen haben weil genug Leute da sind wirklich Zeit und Raum, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Es ist schon vorgekommen, dass ich meinen Sohn friedlich schnarchend im Tragetuch bei seiner Bezugserzieherin vorfand, während die ganze Meute draußen spielte. Er hatte sich so müde gespielt, dass trotz Mittagsschlaf noch ein kleines power nap sein musste. Wenn man mit 2 Erzieherinnen 12 U3 Kinder betreuuen muss, hat das müde Kind einfach Pech gehabt. In der Gruppe meines Sohnes, wo auf 12 Kinder 5 Erzieherinnen kommen packt sich eine Erzieherin das müde Kind einfach ins Tragetuch und schuckelt es.

Die Erzieherinnen sind alle sehr nett und wirken auch nicht übermäßig gestresst. Im Gespräch habe ich schon öfters gehört, dass eigentlich alle sehr gerne in dieser Kita arbeiten - hauptsächlich deswegen, weil einem der gute Personalschlüssel ermöglicht, so zu arbeiten und so auf die Kinder einzugehen, wie man es sich wünscht. Das ist in Deutschland leider nicht selbstverständlich.

Das pädagogische Konzept spielt hier natürlich auch mit rein. In dem wird formuliert, dass auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden soll. Dass das nicht nur auf dem Papier steht kann ich voll bestätigen. Wenn mein Sohn schon vor dem Mittagessen sehr müde ist, macht er seinen Mittagsschlaf eben vor dem Mittagessen. Wenn ihm das Mittagessen absolut nicht schmeckt muss er es nicht essen, sondern kriegt alternativ ein Butterbrot angeboten (was übrigens fast nie vorkommt, ihm schmeckt es dort sehr gut; oft höre ich beim Abholen: "hat 2 große Portionen zu Mittag gegessen").

Wenn er auf das Programm in seiner Gruppe keine Lust hat und lieber erkunden will, was in der Nachbargruppe los ist, darf er das. Die Eingewöhnung wurde nach dem Berliner Modell gemacht und hat bei uns wirklich absolut wunderbar funktioniert.

Auch sehr positiv finde ich, dass ein Protokoll geführt wird und ich beim Abholen gesagt bekomme, was so los war, also wie viel das Kind gegessen und geschlafen hat, ob es Stuhlgang hatte, was an dem Tag so gemacht wurde etc. Das erste Entwicklungsgespräch hat 2 Stunden gedauert und es wurde ganz ausführlich wirklich alles besprochen und war professionell vorbereitet.

Natürlich waren mein Mann und ich anfangs in Sorge, ob denn alles hinhaut, ob es für so ein kleines Kind nicht zu viel ist, Vollzeit in die Kita zu gehen. Aber er fühlt sich ganz offensichtlich wohl dort (wenn ich ihn abhole, will er oft erst nicht mitgehen). Uns gefällt auch, was dort alles mit den Kindern gemacht wird - da sind Dinge bei, die wir ihm gar nicht bieten können (ich sag nur Wasserspielplatz!). Die Beziehung zu den Kindern ist sehr herzlich (siehe Schuckelm im Tragetuch), es ist nicht Ungewöhnliches dass eine Erzieherin beim Abohlen zu meinem Kind sagt "Tschüss, mein kleiner Sonnenschein! Bis morgen!".

Meiner Meinung nach sollte so eine Kita Standard sein. Leider ist das nicht der Fall. Hier im Landkreis ist das auch die einzige Kita dieser Art und man muss übrigens vom Arbeitgeber bestätigt kriegen, dass man einen erweiterten Bedarf hat, der in der normalen Kita nicht abgedeckt wird (was bei jemandem, der Vollzeit arbeitet schnell der Fall ist. Ich sag nur Schließzeit 16 Uhr - in vielen Kitas ganz normal).

Übrigens gab es vor ein paar Wochen über diese Kita einen Bericht in der hiesigen regionalen Zeitung. Ein später veröffentlichter Leserbrief hat sich zu den erweiterten Zeiten sehr kritisch geäußert, der Tenor war "jaja, damit auch die armen Mütter von der Wirtschaft optimal ausgebeutet werden können und Vollzeit arbeiten müssen". Geschrieben hat diesen Leserbrief - natürlich - ein Mann....

Leider begegnet mir diese Haltung öfters. Ich finde das schade. Gute Kitas sind keine Notlösung und keine seelenlosen Kinderverwahranstalten. Gute Kitas unterstützen nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder in ihrer Entwicklung durch Personal, dass dafür professionell ausgebildet ist.

In dem Sinne: Ein Hoch auf die Kita!

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