Sonntag, 1. September 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 7: Persönlicher Freiraum
Ein Baby stellt erstmal das Leben total auf den Kopf und fordert viel ein. Das ist auch ganz normal so. Dennoch war und ist es für mich - insbesondere als Mutter - von Anfang an wichtig gewesen, Freiräume für mich alleine zu haben.

Das stößt bei anderen Leuten schnell auf Unverständnis. Bei Vätern wird eher akzeptiert, wenn z.B. Hobbies weiter geführt werden. Viel zu oft habe ich auch schon Witze unter Vätern darüber gehört, dass man eigentlich ganz gerne Überstunden mache, damit man sich zu Hause nicht noch mit dem Baby beschäftigen muss.

Zum Glück läuft das bei meinem Mann und mir anders. Dadurch, dass wir im Krankenhaus ein Familienzimmer hatten, war er von Anfang an eingebunden. Ich weiß noch gut, wie kurz nach der Geburt das Kind von der Untersuchung zurück kam und die Kinderkrankenschwester meinte, dass er ein bisschen Untertemperatur habe und deswegen am Körper aufgewärmt werden solle. Sie wollte mir den Kleinen ganz automatisch auf den Bauch legen, als ich sagte "Mir wäre es lieber, er geht zum Papa, gestillt habe ich ja eben erst, ich würde jetzt wirklich gerne ein bisschen schlafen, weil ich total fertig bin". Mit hochgezogenen Augenbrauen gab sie dann kopfschüttelnd das Baby meinem Mann. Ist ja auch eine Frechheit, wenn sich eine Frau direkt nach einer schweren Geburt (ich war 24 Stunden lang im Kreißsaal) ein wenig erholen möchte...

Zwei Tage nach der Geburt - wir waren noch im Krankenhaus - haben wir das grade gestillte, frisch gewickelte und tief schlafende Baby für eine halbe Stunde im Kinderzimmer der Station abgegeben um draußen einen Spaziergang zu machen und den Kopf kurz frei zu kriegen. Das Baby hat von der ganzen Aktion gar nichts mitbekommen, weil es friedlich schlief - die Blicke der Kinderkrankenschwester hingegen hätten töten können. Diese wies mich dann auch später vorwurfsvoll darauf hin, dass ich die einzige Mutter auf der Station sei, bei der das Baby im Beistellbett und nicht im gleichen Bett schlafe. Übrigens war mein Mann auch anwesend, da wir ein Familienzimmer hatten, er durfte sich diesen Vorwurf allerdings nicht anhören. Ich finde es echt krass, wie schnell Müttern vorgeworfen wird, wenn sie nicht 24 Stunden am Tag an ihrem Baby kleben wollen.

Damit es mir seelisch gut geht, brauche ich Raum für mich, das war mir von Anfang an wichtig. Natürlich hätte ich mein Baby auch bei mir schlafen lassen, wenn es sonst nicht geschlafen hätte. Da es aber super im Beistellbett und zu Hause von Anfang an im eigenen Bett schlief, sah ich keine Notwendigkeit dazu. Wenn ich den ganzen Tag alleine mit dem Baby zu Hause war, hat es mir sehr viel bedeutet abends eine halbe Stunde alleine im Wald spazieren zu gehen, wenn mein Mann zu Hause war. Vier Wochen nach der Geburt bin ich dann das erste Mal länger alleine abends aus dem Haus gegangen, um zur Bandprobe zu fahren.

Das ist sowohl bei anderen Müttern als auch bei meiner Familie teils auf viel Kritik gestoßen. Mich ärgert es, dass automatisch vorausgesetzt wird, dass ein Baby 24 Stunden am Tag bei seiner Mutter zu sein hat. Gerne wird das Stillen als Argument dafür vorgebracht.

Ich habe 11 Monate lang gestillt, 6 Monate voll. Trotzdem konnte ich jede Woche abends zur Bandprobe - ich habe zu diesem Zweck Milch abgepumpt, die dann mein Mann per Flasche gefüttert hat. Das hat ganz wunderbar geklappt. Ich bin ziemlich sicher, dass ich nicht so lange gestillt hätte, wenn das bedeutet hätte, dass ich nie alleine länger das Haus verlassen kann. Es ist genau ein einziges Mal vorgekommen, dass ich früher von der Probe nach Hause gefahren bin, weil das Baby geweint hat und mein Mann alleine es nicht beruhigen konnte.

Jetzt wo mein Mann und ich beide arbeiten und der Kleine in die Kita geht ist es genauso wichtig, dass jede/r von uns noch etwas für sich machen kann. Es ist ganz normal, dass wir z.B. abends zum Sport gehen oder z.B. mit KollegInnen was trinken gehen. Die Kinderbetreuung übernimmt dann der/die andere. Übrigens passiert es uns beiden, dass wir manchmal denken "och, eigentlich habe ich gar nicht soo große Lust, ich bin müde und würde lieber zu Hause blieben" - da es aber meistens feste Termine sind, gehen wir doch und sagen hinterher jedes Mal, dass es uns aber merklich gut getan hat (vor allem wenn es ein Sporttermin war).

Was hat das nun mit Vereinbarkeit und Vollzeitarbeit zu tun? Ich denke, in unserem Fall würde es ohne diesen Ausgleich gar nicht gehen. Die Zeit, die wir nur für uns haben und in der wir etwas machen, das uns gut tut, lädt die Batterien so auf, dass wir genug Kraft für die Arbeit und die care Arbeit haben. Ich stehe auch ganz offensiv dazu, dass ich zwar gerne mit meinem Kind zusammen bin, aber durchdrehen würde, wenn ich nicht auch mal etwas alleine machen kann. Das wird unter Müttern leider oft nur unter vorgehaltener Hand zugegeben. Das finde ich echt schade und ich würde mir sehr wünschen, dass Mütter das offener kommunizieren würden und auch könnten, ohne dafür sofort kritisiert zu werden.

Wie ist das bei Euch? Wie sind Eure Erfahrungen? Habt Ihr auch Kritik erfahren?

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Freitag, 9. August 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 6: Hilfe im Notfall
Es heißt ja immer, es braucht ein Dorf, um ein Kind groß zu ziehen. Nun, bei uns ist das tatsächlich im "Normalbetrieb" die Kita - wir haben keine Großeltern in der Nähe. Meine Eltern wohnen 2,5 Autostunden entfernt, meine Schwiegereltern wohnen 8 Autostunden entfernt.

Leider haben wir bis jetzt auch kein dichtes Netzwerk aus anderen Eltern in unserer Nähe aufbauen können. Wir hoffen, dass sich das ergibt sobald unser Kind etwas größer ist und in der Kita Freundschaften schließt.

Dennoch sind wir im Notfall nicht komplett auf uns allein gestellt. Wir haben sehr liebe Nachbarn mit "Großelternerfahrung", die unser Kind auch kennen. Im Babyalter hat meine Nachbarin den Kleinen gehütet, als ich einige regelmäßige Arzttermine wahrnehmen musste. Als ich im Pekipkurs einmal Kreislaufprobleme bekam und mein Mann wegen einer Dienstreise nicht greifbar war, war meine Nachbarin ebenfalls da. Sie hat mir eine Brühe gemacht und gewartet bis ich etwas gegessen, das Baby gestillt und uns beide ins Bett verfrachtet hatte. Ich hätte es rückblickend wahrscheinlich auch alleine geschafft, aber es war sehr beruhigend, dass jemand da war und sich gekümmert hat.

Ich würde jetzt nicht sagen, dass unsere Nachbarn ein "Großelternersatz" sind, dafür sehen wir sie nicht oft genug. Aber sie sind für den absoluten Notfall bei der Kita als Personen eingetragen, die unseren Sohn abholen dürfen.

Bisher ist der Fall zum Glück nicht eingetreten, aber es ist sehr sehr beruhigend, dass jemand da ist wenn wir einmal wirklich kurzfristig Hilfe brauchen.

Wenn wir mit mehr zeitlichem Vorlauf Hilfe brauchen, sind im Notfall auch meine Schwiegereltern gerne bereit zu helfen. Meine Eltern können dies leider nicht, da meine Mutter momentan erkrankt ist. Meine Schwiegereltern sind beide Rentner, sehr aktiv und auch gesundheitlich sehr fit. Als wir im März die Situation hatten, dass das Kind krank war, ich grade erst nach zwei Wochen Krankenstand (in der Probezeit) wieder im Büro war und mein Mann eine Skifreizeit mit Kollegen geplant hatte, die auch schon bezahlt war, haben meine Schwiegereltern unaufgefordert als wir unser Leid geklagt haben erklärt, dass sie sich am nächsten Tag ins Auto setzen und herfahren können.

Wir waren unendlich dankbar, dass sie das kranke Kind hüten konnten, so dass ich arbeiten und mein Mann auf die Skifreizeit fahren konnte.

Wir werden noch sehen, wie das weiterhin läuft. Aber ich würde sagen, dass wir sozusagen das absolute Mindestmaß an externer Hilfe im Notfall/Krankheitsfall haben, um Beruf und Familie vereinbaren zu können. Weniger geht denke ich nicht.

Wie läuft das bei Euch? Ich würde mich auf einen Austausch auf Twitter oder in den Kommentaren freuen.

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Dienstag, 6. August 2019
Vereinbarkeitsspagat Teil 5. Gesundes Kind ohne überdurchschnittliche Bedürfnisse (also kein high-need Kind)
Wie ja schon an einigen Stellen durchgeklungen ist, habe ich mir sehr viele Gedanken im Vorfeld der Kinderplanung gemacht. In meinem Familien- und Freundeskreis hatten zudem viele schon Kinder, und da alle ziemlich ehrlich berichtet haben, wusste ich dass man nicht wirklich im Vorfeld weiß, was auf einen zukommt.

Das liegt natürlich daran, dass Kinder extrem unterschiedlich sind und daran, dass die persönlichen Belastungsgrenzen und Bedürfnisse der Eltern auch sehr unterschiedlich sind. Ein Kind, das von einer Person als pflegeleicht empfunden wird, ist für jemand anders anstrengend.

Ein Kind kann sehr krank zu Welt kommen. Ein Kind kann durch eine Infektion oder einen Unfall sehr krank werden. Ein Kind kann auch etwas haben, das an sich medizinisch nicht schlimm ist und gut behandelt werden kann - aber auch das ist fordernd, sowohl emotional als auch vielleicht organisatorisch und zeitlich.

Es gibt high-need-Kinder, die als Babies stundenlang schreiben, nicht abgelegt werden wollen und im Erlernen ihrer Impulskontrolle und Frustrationstoleranz überdurchschnittlich lange brauchen. Leider habe ich oft mitgekriegt, wie diesen Eltern häufig wenig Verständnis entgegen gebracht wird (das ist vielleicht noch Thema für einen eigenen Blogeintrag).

Unser Kind kam glücklicherweise gesund zur Welt. Außer den normalen Infekten, die zu Anfang der Kitazeit gehäuft, aber noch im normalen Rahmen auftraten war bisher nichts. Er hatte bisher insgesamt zweimal Magen-Darm, zweimal Mittelohrentzündung, einmal eine schwere Erkältung mit Fieber, eine Mandelentzündung und das 3-Tage-Fieber. Die Rotznase im Winter zähle ich nicht mit, denn das war bisher bei ihm immer so harmlos, dass er in seinem Wohlbefinden nicht beeinträchtigt war und wie gewohnt in die Kita gehen konnte. Die anderen Infekte hat er auch schnell überwunden.

Ich kenne zwar Kinder, die weniger oft krank sind, auch zu Beginn der Kitazeit, aber ich kenne auch viele Kinder, die wesentlich häufiger und dann länger krank sind. Zusammengefasst würde ich sagen, dass unser Kind in Bezug auf Krankheiten bisher ziemlich im Durchschnitt liegt.

Bezüglich der Bedürfnisse war er als Baby pflegeleicht. Von Anfang an wollte er am liebsten alleine in seinem Bettchen schlafen, geweint hat er wenig und wenn, dann meistens weil er hungrig war - ein Problem, das sich zum Glück bei einem Stillkind schnell lösen lässt. Ich konnte ihn sogar tagsüber auch wenn er wach war für einige Minuten alleine im Raum lassen, das war kein Problem.

Anstrengend fand ich in der Babyzeit trotzdem das nächtliche Stillen - 6 Stunden Schlaf am Stück hat er mit ca. 8 Monaten geschafft. Deswegen bin ich in den ersten Monaten meistens auch schon um 20 Uhr zu Bett gegangen, weil mich der fragmentierte Schlaf so belastet hat.

Seit seinem ersten Geburtstag schläft er durch. Unsere Einschlagbegleitung sieht so aus, dass wir um 19.30 Uhr hochgehen, ihn gemeinsam bettfertig machen und ihm ein Liedchen vorsingen. Im Wechsel bleibt dann einer von uns im Kinderzimmer, setzt sich mit ihm in den Sessel, gibt ihm eine Abendflasche und legt ihn hin. Nach 10-20 Minuten hat er sich ausgebröselt, ist eingeschlafen und man kann den Raum verlassen. Ich lege in der Zeit entspannt meine Füße hoch und lese meine Twitter-Timeline nach.

Das heißt, die Abende gehören uns, und mir ist bewusst, dass wir da echt den Joker gezogen haben. Wenn wir jeden Tag abends Stunden brauchen würden, um dem Kind zu helfen runter zu fahren und einzuschlafen - bei high-need-Kindern keine Seltenheit - wären wir sehr viel gestresster.

Anstrengend ist das Kind derzeit in Bezug auf Explorationsdrang und Autonomiebestreben. Er will überall ran, alles haben, tun was er will und auch dass wir tun, was er will. Man kann ihn folglich keine Sekunde aus den Augen lassen weil man befürchten muss, dass er sonst abhaut, irgendwo hochklettert oder Ähnliches. Folglich ist unser Familienleben derzeit sehr geprägt davon, dass wir ständig aushandeln, was er darf und was nicht und ihn durch seinen Frust begleiten, wenn er an die von uns gesetzten Grenzen stößt. Wir schaffen es meistens, Ruhe und Nerven zu behalten - was aber daran liegt, dass wir genau wissen dass wir spätestens um 20 Uhr Zeit und Raum nur für uns haben ;-).

Wieder kann ich nur für mich persönlich sprechen, aber ich kann mir schwer vorstellen, dass ich einen Vollzeitjob schaffen würde, wenn regelmäßige medizinische Termine erforderlich wären oder ich nachts mit dem Kind mehrmals wach wäre. Ich würde mich auch als eher wenig belastbar einstufen. Umso mehr sind bei uns folglich die Gesundheit und die Bedürfnisse des Kindes ein wesentlicher Faktor für die Vereinbarkeit von Familie und Vollzeitarbeit.

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