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Dienstag, 29. Juni 2021
Urlaubsbloggen
u_blues, 12:54h
Habe mir selber für den Urlaub eine Twitterpause verordnet. Wie immer wenn ich weniger twittere, wird dafür mehr gebloggt.
Tag 1 (Samstag)
Wir stehen in der Nacht zu Samstag um halb drei auf, das Auto ist schon weitgehend gepackt. Mit Frühstück im Gepäck fahren wir los. Das Kind ist etwas aufgeregt, schläft aber gut im Auto. Um 10 Uhr vormittags treffen wir bei den Schwiegereltern in Tschechien ein. Coronakontrollen gibt es an der Grenze momentan gar nicht.
Nachmittags gehts in den Schrebergarten. Wir merken unsere Isolation des letzten Jahres auch daran, dass das Kind örtlich verwirrt ist. Die Schwiegereltern wohnen in einem Plattenbau und haben etwas außerhalb einen Schrebergarten, in dem auch ein kleines Häuschchen steht. Dieses Konzept ist dem Kind unbekannt, bei uns zu Hause hat man ein Haus und einen Garten am gleichen Fleck und wir müssen ihm das mit den vielen Wohnungen in einem großen Haus und dem Garten woanders erklären.
Sprachlich gibt es zum Glück keine Probleme, da wir in den letzten Monaten zu Hause eingeführt hatten, dass wenn mein Mann anwesend ist nur tschechisch gesprochen wird. Davon haben sowohl ich als auch das Kind profitiert, er switcht problemlos. Berührungsängste zu meinen Schwiegereltern gibt es auch keine, obwohl wir uns alle das letzte Mal im Oktober gesehen haben. Videotelefonie sei dank.
Der Mann und ich sind nach der nächtlichen Autofahrt recht fit, wir werden das jetzt immer so machen. Früher sind wir mit dem Kleinen abends gegen 20 Uhr losgefahren, waren dann nachts bei den Schwiegereltern. Das letzte Mal hat das Kind vor lauter Aufregung dann aber nicht mehr schlafen können, wir auch nicht. Die erste Nachhälfte schlafen und dann losfahren ist wesentlich erholsamer. Das Kind findet Autofahren offenbar spannend genug, dass es ein paar Wachstunden im Auto ohne Langeweile und Zusatzbespaßung gut aushält.
Dennoch gönnen wir uns im Gartenhäuschen ein kleines Mittagsnickerchen. Ich fühle mich danach so bombig erfrischt, dass ich noch am frühen Abend noch eine halbe Stunde an der Elbe joggen gehe.
Abends betrinken wir uns ein wenig mit Sekt.
Tag 2 (Sonntag)
Das Kind schläft bis 7 Uhr. Wir stehen auf, meine Schwiegermutter ist schon wach und beordert mich zurück ins Bett. Das nehme ich natürlich gerne an.
Gegen 10 Uhr stehe ich dann auf. Heute ist großer Familientag, gegen Mittag trudeln meine Schwägerin mit Ehemann und beiden Kindern ein. Nach dem Mittagessen fahren wir wieder in den Schrebergarten. Dort baut Schwiegerpapa einen kleinen Pool/großes Plantschbecken auf. Die Erfrischung ist willkommen, wir chillen, spielen, plantschen, toben. Bis auf meine Schwägerin, sie setzt sich unter die Pergola in den Schatten und bewegt sich die meiste Zeit nicht.
Mein Neffe (12) spielt stundenlang hingebungsvoll mit meinem Sohn, was ich erstaunlich finde, ist der Kleine ja erst 3,5. Aber die zwei haben irgendwie eine Connection und es ist sehr schön anzusehen, mit wie viel Phantasie und Kreativität sie zugange sind.
Tag 3 (Montag)
Mir fällt auf, dass dies für mich der erste Urlaub seit Jahren ist, den ich wirklich als Urlaub zur Erholung und nicht nur als notwendige Pause kurz vor dem Zusammenbruch empfinde. Die berufliche Situation ist momentan so entspannt, ich muss die freie Zeit nicht dazu nutzen, innerliche Spannungen abzubauen. Folglich fühle ich mich jetzt schon so ruhig und gechillt wie seit Ewigkeiten nicht mehr.
Das merke ich auch an der Energie. Ich gehe am frühen Abend wieder laufen und schaffe aus dem Stand 5 km in einer gar nicht so schlechten Zeit.
Anders geht es leider dem Mann. Er klagt schon Sonntag abends über Kopfweh, geht um 21 Uhr ins Bett und hängt den ganzen Montag in den Seilen. Ich hatte ehrlichgesagt damit gerechnet, da er aus diversen Gründen grade eine etwas schwere Zeit hat und es in meinen Augen abzusehen war, dass er jetzt etwas abschmiert.
Ich halte ihm die überbesorgten Schwiegereltern vom Leib, verpasse ihm eine Ibu, schicke ihn wieder ins Bett und schaue, dass wir in den Schrebergarten fahren, damit er ein paar Stunden ganz allein für sich seine Ruhe haben kann. Das hilft dann auch, abends fühlt er sich schon wieder besser.
Tag 4 (Dienstag)
Gleiches Programm, ausschlafen, nachmittags in den Schrebergarten. Im Planschbecken mache ich mit dem Kind einige erste Schwimmübungen, er legt sich in Bauchlage aufs Wasser, ich halte ihn mit einer Hand und lasse ihn spüren, wie das Wasser trägt. Dabei merke ich, dass wir hier Nachholbedarf haben, ich konnte als Kind in seinem Alter schon mehr paddeln und auch tauchen, weil meine Eltern mit uns im Winter jede Woche im Schwimmbad waren. Das ging coronabedingt halt nicht.
Den Weg aus dem Schrebergarten zurück gehe ich zu Fuß, um ein wenig Bewegung und Zeit für mich alleine zu haben. Obwohl ich das letzte Mal vor 4 Jahren oder so die Schleichroute über die Felder gegangen bin, finde ich den Weg auf Anhieb problemlos. Wieder einmal bin ich froh darüber, eine gute Grundorientierung und ein gutes örtliches Gedächtnis zu haben, ich muss kein einzige Mal google maps konsultieren um zu wissen, wo ich bin. So treffe ich dann auch wohlbehalten wieder bei den Schwiegerelten ein (die sich tatsächlich gesorgt hatten, ob ich den Weg alleine finde).
Tag 5 (Mittwoch)
Wir stehen etwas früher auf, um in der nächsten Kreisstadt Bettwäsche zu kaufen. Aus komplizierten Gründen können wir uns Deutschland keine kaufen, weil unsere Kissen ein anderes Format haben, nämlich das in Tschechien übliche. Wir erwerben zwei Garnituren, spazieren ein wenig durch die sehr hübsche Stadt, trinken auf dem Marktplatz einen Eiskaffee.
Dann verschwinde ich eine Stunde zur Maniküre/Pediküre. Das ist ein spontaner Entschluss, das Studio spricht eigentlich ein eher jüngeres Publikum an, aber da es dort Maniküre und Pediküre gibt und grade frei ist, beschließe ich es dort zu versuchen. Das war eine gute Entscheidung, denn obwohl man dort überwiegend spitze, lange Acrylnägel in sehr bunten Designs macht, bekomme ich meine gewünschte klassische Behandlung ohne Probleme. Meine Füße erhalten das komplette Wellnessprogramm incl. Sprudelbad, Peeling und Massage. Die Technomucke kann ich mental offenbar gut ausblenden, meine Smartwatch zeigt mir zu meiner großen Erheiterung für die halbe Stunde, in der ich im Pediküresessel, saß ein Nickerchen an.
Nachmittags dann wieder Schrebergarten, diesmal mit Grillen. Abends trinken wir zusammen Wein und spielen Karten.
Dabei kommt in der Unterhaltung nebenbei heraus, dass meine Schwiegereltern glauben, die Wahl in den USA sei manipuliert gewesen und Trump hätte eigentlich gewonnen. Mein Mann ist ebenso schockiert wie ich, wir sind aber zu müde und zu angetrunken, um das Thema weiter zu verfolgen.
Sowieso merkt man bei meinen Schwiegereltern leider, dass die ältere Generation Schwierigkeiten hat, Nachrichten im Netz korrekt zu filtern. Erschwert wird das dadurch, dass (verständlicherweise) immer noch aus den Zeiten des Sozialismus ein tiefes Misstrauen gegenüber den klassischen Nachrichtenmedien besteht, da diese zu Zeiten des Eisernen Vorhangs ziemlich propagandalastig war. Das macht in der Kombination offenbar empfänglich für Verschwörungstheorien.
Ich weiß auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Immerhin sind sie keine Coronaleugner und auch zweifach geimpft, trotzdem macht mir diese fehlende Medienkompetenz Sorgen. In der tschechischen Medienlandschaft kenne ich mich auch zu wenig aus, um in der Hinsicht etwas Hilfreiches beizutragen.
Tag 6 (Donnerstag)
Wieder ausschlafen. Es regnet immer wieder, daher fahren wir nicht in den Garten. Mein Mann fährt nach dem Mittagessen nach Prag, um sich mit seinem besten Kumpel zu treffen. Ich bleibe mit den Schwiegereltern und dem Kind zu Hause, wir spielen, machen einen Spaziergang mit dem Laufrad und versuchen krampfhaft Unterhaltungen über Politik zu vermeiden.
Ebenfalls wenig zuträglich für meine Laune ist, dass meine Schwiegereltern in klassischer Großelternmanier das Kind verziehen. Sie geben wenn er etwas will sofort nach, belohnen mit Süßigkeiten und hofieren ihn wie einen kleinen Prinzen. Entsprechend beginnt er sich auch so zu benehmen, das Gegensteuern bei Trotzausbrüchen bleibt natürlich an mir hängen und so bin ich am späten Nachmittag nicht gut drauf.
Als Gegenmittel nutze ich eine Regenpause, um Laufen zu gehen. Ich kann gar nicht genug von der Bewegung bekommen, und so höre ich eher aus Vernunftgründen bei 7,5 km auf. Meine Smartwatch ist nicht glücklich mit mir und schimpft, ich hätte "exzessiv" trainiert.
Wenigstens bin ich nach dem Laufen angenehm geistig müde und folglich wieder tiefenentspannt. Ich schirme für den Rest des Tages den Kleinen ein bisschen von meinen Schwiegereltern ab, bringe ihn ins Bett und lese. Währenddessen gucken meine Schwiegereltern eine Naturdoku und so wird der Abend ganz okay. Als ich mich bettfertig mache, trifft der Mann wieder ein.
Tag 7 (Freitag)
Dank des Joggens am Vortag schlafe ich wie ein Stein. Das Kind ist allerdings schon kurz vor sechs wach, zum Glück ist die Schwiegermutter auch auf, so dass ich weiter schlafen kann.
So sehr ich diesen Luxus und die Entlastung schätze, ich merke im Laufe des Tages, dass mir das Aufeinanderhocken so langsam nicht mehr gut tut, auch nicht die ständigen subtilen Einmischungsversuche in unsere Erziehung. Meine Schwiegermutter ist unfähig, das Kind auch nur mal 5 Minuten in Ruhe zu lassen. Wir sitzen z.B. friedlich im Wohnzimmer, ich lese, der Kleine spielt mit Lego, alles ist ruhig - das erträgt sie ein paar Minuten, dann muss sie fragen ob das Kind nicht was essen oder trinken will, nicht zu kalt oder zu warm angezogen ist oder dies oder jenes machen möchte. Sehr anstrengend. Manchmal nimmt es auch absurde Züge an, sie sorgt sich tatsächlich, weil der Kleine nicht viel Fleisch isst, sondern lieber Obst und Gemüse mag.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass es sie fast wurmt, dass es nichts groß auszusetzen gibt und das Kind gut schläft, ohne Theater so ziemlich alles zu seinen festen Zeiten isst, weder zu dünn noch zu dick ist, pumperlgesund, aufgeweckt und alles in allem ein optimal entwickelter kleiner Junge ist. Es gibt nichts zu kritisieren, und das darf natürlich so nicht sein.
Aber macht nichts, heute ist der letzte Tag, den kriegen wir noch rum. Ich gehe mit dem Mann zusammen einkaufen - wir importieren regelmäßig Sachen, die es in Deutschland nicht zu kaufen gibt.
...
Wir gehen abends zeitig zu Bett, in der Nacht geht der Wecker, und wir fahren nach Hause.
Tag 1 (Samstag)
Wir stehen in der Nacht zu Samstag um halb drei auf, das Auto ist schon weitgehend gepackt. Mit Frühstück im Gepäck fahren wir los. Das Kind ist etwas aufgeregt, schläft aber gut im Auto. Um 10 Uhr vormittags treffen wir bei den Schwiegereltern in Tschechien ein. Coronakontrollen gibt es an der Grenze momentan gar nicht.
Nachmittags gehts in den Schrebergarten. Wir merken unsere Isolation des letzten Jahres auch daran, dass das Kind örtlich verwirrt ist. Die Schwiegereltern wohnen in einem Plattenbau und haben etwas außerhalb einen Schrebergarten, in dem auch ein kleines Häuschchen steht. Dieses Konzept ist dem Kind unbekannt, bei uns zu Hause hat man ein Haus und einen Garten am gleichen Fleck und wir müssen ihm das mit den vielen Wohnungen in einem großen Haus und dem Garten woanders erklären.
Sprachlich gibt es zum Glück keine Probleme, da wir in den letzten Monaten zu Hause eingeführt hatten, dass wenn mein Mann anwesend ist nur tschechisch gesprochen wird. Davon haben sowohl ich als auch das Kind profitiert, er switcht problemlos. Berührungsängste zu meinen Schwiegereltern gibt es auch keine, obwohl wir uns alle das letzte Mal im Oktober gesehen haben. Videotelefonie sei dank.
Der Mann und ich sind nach der nächtlichen Autofahrt recht fit, wir werden das jetzt immer so machen. Früher sind wir mit dem Kleinen abends gegen 20 Uhr losgefahren, waren dann nachts bei den Schwiegereltern. Das letzte Mal hat das Kind vor lauter Aufregung dann aber nicht mehr schlafen können, wir auch nicht. Die erste Nachhälfte schlafen und dann losfahren ist wesentlich erholsamer. Das Kind findet Autofahren offenbar spannend genug, dass es ein paar Wachstunden im Auto ohne Langeweile und Zusatzbespaßung gut aushält.
Dennoch gönnen wir uns im Gartenhäuschen ein kleines Mittagsnickerchen. Ich fühle mich danach so bombig erfrischt, dass ich noch am frühen Abend noch eine halbe Stunde an der Elbe joggen gehe.
Abends betrinken wir uns ein wenig mit Sekt.
Tag 2 (Sonntag)
Das Kind schläft bis 7 Uhr. Wir stehen auf, meine Schwiegermutter ist schon wach und beordert mich zurück ins Bett. Das nehme ich natürlich gerne an.
Gegen 10 Uhr stehe ich dann auf. Heute ist großer Familientag, gegen Mittag trudeln meine Schwägerin mit Ehemann und beiden Kindern ein. Nach dem Mittagessen fahren wir wieder in den Schrebergarten. Dort baut Schwiegerpapa einen kleinen Pool/großes Plantschbecken auf. Die Erfrischung ist willkommen, wir chillen, spielen, plantschen, toben. Bis auf meine Schwägerin, sie setzt sich unter die Pergola in den Schatten und bewegt sich die meiste Zeit nicht.
Mein Neffe (12) spielt stundenlang hingebungsvoll mit meinem Sohn, was ich erstaunlich finde, ist der Kleine ja erst 3,5. Aber die zwei haben irgendwie eine Connection und es ist sehr schön anzusehen, mit wie viel Phantasie und Kreativität sie zugange sind.
Tag 3 (Montag)
Mir fällt auf, dass dies für mich der erste Urlaub seit Jahren ist, den ich wirklich als Urlaub zur Erholung und nicht nur als notwendige Pause kurz vor dem Zusammenbruch empfinde. Die berufliche Situation ist momentan so entspannt, ich muss die freie Zeit nicht dazu nutzen, innerliche Spannungen abzubauen. Folglich fühle ich mich jetzt schon so ruhig und gechillt wie seit Ewigkeiten nicht mehr.
Das merke ich auch an der Energie. Ich gehe am frühen Abend wieder laufen und schaffe aus dem Stand 5 km in einer gar nicht so schlechten Zeit.
Anders geht es leider dem Mann. Er klagt schon Sonntag abends über Kopfweh, geht um 21 Uhr ins Bett und hängt den ganzen Montag in den Seilen. Ich hatte ehrlichgesagt damit gerechnet, da er aus diversen Gründen grade eine etwas schwere Zeit hat und es in meinen Augen abzusehen war, dass er jetzt etwas abschmiert.
Ich halte ihm die überbesorgten Schwiegereltern vom Leib, verpasse ihm eine Ibu, schicke ihn wieder ins Bett und schaue, dass wir in den Schrebergarten fahren, damit er ein paar Stunden ganz allein für sich seine Ruhe haben kann. Das hilft dann auch, abends fühlt er sich schon wieder besser.
Tag 4 (Dienstag)
Gleiches Programm, ausschlafen, nachmittags in den Schrebergarten. Im Planschbecken mache ich mit dem Kind einige erste Schwimmübungen, er legt sich in Bauchlage aufs Wasser, ich halte ihn mit einer Hand und lasse ihn spüren, wie das Wasser trägt. Dabei merke ich, dass wir hier Nachholbedarf haben, ich konnte als Kind in seinem Alter schon mehr paddeln und auch tauchen, weil meine Eltern mit uns im Winter jede Woche im Schwimmbad waren. Das ging coronabedingt halt nicht.
Den Weg aus dem Schrebergarten zurück gehe ich zu Fuß, um ein wenig Bewegung und Zeit für mich alleine zu haben. Obwohl ich das letzte Mal vor 4 Jahren oder so die Schleichroute über die Felder gegangen bin, finde ich den Weg auf Anhieb problemlos. Wieder einmal bin ich froh darüber, eine gute Grundorientierung und ein gutes örtliches Gedächtnis zu haben, ich muss kein einzige Mal google maps konsultieren um zu wissen, wo ich bin. So treffe ich dann auch wohlbehalten wieder bei den Schwiegerelten ein (die sich tatsächlich gesorgt hatten, ob ich den Weg alleine finde).
Tag 5 (Mittwoch)
Wir stehen etwas früher auf, um in der nächsten Kreisstadt Bettwäsche zu kaufen. Aus komplizierten Gründen können wir uns Deutschland keine kaufen, weil unsere Kissen ein anderes Format haben, nämlich das in Tschechien übliche. Wir erwerben zwei Garnituren, spazieren ein wenig durch die sehr hübsche Stadt, trinken auf dem Marktplatz einen Eiskaffee.
Dann verschwinde ich eine Stunde zur Maniküre/Pediküre. Das ist ein spontaner Entschluss, das Studio spricht eigentlich ein eher jüngeres Publikum an, aber da es dort Maniküre und Pediküre gibt und grade frei ist, beschließe ich es dort zu versuchen. Das war eine gute Entscheidung, denn obwohl man dort überwiegend spitze, lange Acrylnägel in sehr bunten Designs macht, bekomme ich meine gewünschte klassische Behandlung ohne Probleme. Meine Füße erhalten das komplette Wellnessprogramm incl. Sprudelbad, Peeling und Massage. Die Technomucke kann ich mental offenbar gut ausblenden, meine Smartwatch zeigt mir zu meiner großen Erheiterung für die halbe Stunde, in der ich im Pediküresessel, saß ein Nickerchen an.
Nachmittags dann wieder Schrebergarten, diesmal mit Grillen. Abends trinken wir zusammen Wein und spielen Karten.
Dabei kommt in der Unterhaltung nebenbei heraus, dass meine Schwiegereltern glauben, die Wahl in den USA sei manipuliert gewesen und Trump hätte eigentlich gewonnen. Mein Mann ist ebenso schockiert wie ich, wir sind aber zu müde und zu angetrunken, um das Thema weiter zu verfolgen.
Sowieso merkt man bei meinen Schwiegereltern leider, dass die ältere Generation Schwierigkeiten hat, Nachrichten im Netz korrekt zu filtern. Erschwert wird das dadurch, dass (verständlicherweise) immer noch aus den Zeiten des Sozialismus ein tiefes Misstrauen gegenüber den klassischen Nachrichtenmedien besteht, da diese zu Zeiten des Eisernen Vorhangs ziemlich propagandalastig war. Das macht in der Kombination offenbar empfänglich für Verschwörungstheorien.
Ich weiß auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Immerhin sind sie keine Coronaleugner und auch zweifach geimpft, trotzdem macht mir diese fehlende Medienkompetenz Sorgen. In der tschechischen Medienlandschaft kenne ich mich auch zu wenig aus, um in der Hinsicht etwas Hilfreiches beizutragen.
Tag 6 (Donnerstag)
Wieder ausschlafen. Es regnet immer wieder, daher fahren wir nicht in den Garten. Mein Mann fährt nach dem Mittagessen nach Prag, um sich mit seinem besten Kumpel zu treffen. Ich bleibe mit den Schwiegereltern und dem Kind zu Hause, wir spielen, machen einen Spaziergang mit dem Laufrad und versuchen krampfhaft Unterhaltungen über Politik zu vermeiden.
Ebenfalls wenig zuträglich für meine Laune ist, dass meine Schwiegereltern in klassischer Großelternmanier das Kind verziehen. Sie geben wenn er etwas will sofort nach, belohnen mit Süßigkeiten und hofieren ihn wie einen kleinen Prinzen. Entsprechend beginnt er sich auch so zu benehmen, das Gegensteuern bei Trotzausbrüchen bleibt natürlich an mir hängen und so bin ich am späten Nachmittag nicht gut drauf.
Als Gegenmittel nutze ich eine Regenpause, um Laufen zu gehen. Ich kann gar nicht genug von der Bewegung bekommen, und so höre ich eher aus Vernunftgründen bei 7,5 km auf. Meine Smartwatch ist nicht glücklich mit mir und schimpft, ich hätte "exzessiv" trainiert.
Wenigstens bin ich nach dem Laufen angenehm geistig müde und folglich wieder tiefenentspannt. Ich schirme für den Rest des Tages den Kleinen ein bisschen von meinen Schwiegereltern ab, bringe ihn ins Bett und lese. Währenddessen gucken meine Schwiegereltern eine Naturdoku und so wird der Abend ganz okay. Als ich mich bettfertig mache, trifft der Mann wieder ein.
Tag 7 (Freitag)
Dank des Joggens am Vortag schlafe ich wie ein Stein. Das Kind ist allerdings schon kurz vor sechs wach, zum Glück ist die Schwiegermutter auch auf, so dass ich weiter schlafen kann.
So sehr ich diesen Luxus und die Entlastung schätze, ich merke im Laufe des Tages, dass mir das Aufeinanderhocken so langsam nicht mehr gut tut, auch nicht die ständigen subtilen Einmischungsversuche in unsere Erziehung. Meine Schwiegermutter ist unfähig, das Kind auch nur mal 5 Minuten in Ruhe zu lassen. Wir sitzen z.B. friedlich im Wohnzimmer, ich lese, der Kleine spielt mit Lego, alles ist ruhig - das erträgt sie ein paar Minuten, dann muss sie fragen ob das Kind nicht was essen oder trinken will, nicht zu kalt oder zu warm angezogen ist oder dies oder jenes machen möchte. Sehr anstrengend. Manchmal nimmt es auch absurde Züge an, sie sorgt sich tatsächlich, weil der Kleine nicht viel Fleisch isst, sondern lieber Obst und Gemüse mag.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass es sie fast wurmt, dass es nichts groß auszusetzen gibt und das Kind gut schläft, ohne Theater so ziemlich alles zu seinen festen Zeiten isst, weder zu dünn noch zu dick ist, pumperlgesund, aufgeweckt und alles in allem ein optimal entwickelter kleiner Junge ist. Es gibt nichts zu kritisieren, und das darf natürlich so nicht sein.
Aber macht nichts, heute ist der letzte Tag, den kriegen wir noch rum. Ich gehe mit dem Mann zusammen einkaufen - wir importieren regelmäßig Sachen, die es in Deutschland nicht zu kaufen gibt.
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Wir gehen abends zeitig zu Bett, in der Nacht geht der Wecker, und wir fahren nach Hause.
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Montag, 24. Mai 2021
Wochenendbloggen Pfingsten
u_blues, 10:54h
Ich hatte eigentlich überlegt, auch meinen Senf zum neuesten Twittererziehungsgate dazu zu geben. Es ging um Eisdielen, tretende Kinder, Konsequenzen, bedürfnisorientierte Erziehung, vorschnelles Urteilen und Anzweifeln des Wahrheitsgehalts.
Vielleicht lasse ich das aber auch einfach.
Mein eigener Erziehungsstil ist derart, dass Eltern "alter Schule" den zu weich und sehr bedürfnisorientierte Eltern den "zu hart" finden, also kann ich eh nicht gewinnen. Zusammengefasst finde ich es tatsächlich wichtig, bestmöglich auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen. Da ich aber auch Bedürfnisse habe, gibt es Grenzen, auf deren Einhaltung ich sehr achte. Bei manchen Dingen erwarte ich tatsächlich sofortigen Gehorsam (insbesondere Straßenverkehr). Bei meinem Kind geht das zum allergrößten Teil über gute Kommunikation, Aushalten von Konflikten, Besprechen von Gefühlen und positive Motivation. Körperliche Gewalt verbietet sich von selber, angeschrieen wurde das Kind von meinem Mann und mir so selten, dass man es an einer Hand abzählen kann - und da diese stets Gefahrensituationen waren, habe ich da auch ein reines Gewissen.
Konsequenzen gibt es bei uns auch, es ist mir egal ob das manche als Strafe ansehen, in manchen seltenen Fällen ist das hier die letzte Instanz. Ich glaube, wir haben ein einziges Mal unter Zwang Zähne geputzt, weil das Kind es komplett verweigert hat und sonst gar nichts mehr half. Das war nicht schön, aber gut, kommt vor. Ein paar Mal hat er beim abendlichen Aufräumen so lange getrödelt, dass keine Zeit mehr zum Fernsehgucken war (das ist hier der Deal). Gab dann eine halbe Stunde mit einem sehr aufgebrachten, wütenden Kind. Diese Gefühle darf er dann auch artikulieren, ich spiegel ihm dann, dass ich sogar verstehe, dass er sauer ist und dass das auch absolut ok ist jetzt wütend zu sein, aber dass es trotzdem kein Fernsehen gibt.
Wir haben einen ziemlich festen Rhythmus, was Schlafzeiten und Essenszeiten angeht, das stößt oft auf Verwunderung. Das Kind ist das gewohnt, in der Kita gibt es schließlich auch nicht ständig Snacks zwischendurch. Ich finde es wiederum sehr angenehm, mit dem Kind nach draußen spielen zu gehen, einkaufen fahren zu können etc. ohne ständig Reiswaffeln oder Apfelschnitze oder Brezeln mitschleppen zu müssen. Gegessen wird bei uns übrigens auch am Tisch und immer im Sitzen. Mit Essen in der Hand rumlaufen gibt es hier nicht, da bin ich eigen. Essen im Auto ebenso nicht.
Natürlich war das alles nicht immer so, da muss man schon das Alter des Kindes im Blick haben. Als Baby hat er selbstverständlich schlafen und essen dürfen, wann er wollte. Dennoch haben wir schon früh angefangen, ihn sanft an einen festen Rhythmus heran zu führen. Hat prima geklappt und ich habe auch den Eindruck, dass ihm diese Verlässlichkeit dass er ganz genau weiß, wann es welche Mahlzeiten gibt und wann abends Schlafenszeit ist etc. gut tun.
Gleichzeitig wird der Kleine aber immer noch einschlafbegleitet, und er darf mit 3,5 fürs große Geschäft immer noch eine Windel benutzen. Hier halte ich gar nichts von Erziehungsmethoden alter Schule wie das Kind alleine im Bett weinen lassen oder Töpfchentraining unter Zwang (ja, das gibt es immer noch). Körperliche Strafen gibt es schon gar nicht (ja, die werden leider immer noch verbreitet angewendet, obwohl es in Deutschland verboten ist). Auch das muss ich zuweilen verteidigen. Gegessen werden muss hier auch nichts. Schmeckt dem Kind nicht, was ich gekocht habe kann es immer ein Brot, Joghurt oder Müsli bekommen.
Um jetzt doch fies zu werden und den Erziehungsstil anderer Eltern zu kommentieren lasse ich mal meine Beobachtung los, dass ich die Anwendung von Strafen tatsächlich eher bei Eltern beobachte, die es nicht schaffen, VORHER die Grenzen zu setzen. Mir wurde von meiner Schwägern ernsthaft versichert, ohne Klaps auf den Hintern würde es einfach nicht gehen * - dabei knicken sie und ihr Mann vor ihrem inzwischen 10-jährigen Sohn innerhalb von 10 Minuten ein, wenn er ihnen nur genug auf die Nerven geht. Da haben die Klapse früher offenbar keine nachhaltige Wirkung gezeigt. Mein Sohn weiß ganz genau, dass er auch eine halbe Stunde etwas sehr vehement verlangen kann und es trotzdem nicht bekommt wenn wir anfangs nein gesagt haben. Dann bleiben wir dabei. Das ist anstrengend, aber langfristig zahlt sich das aus. Genauso weiß er, dass er keine körperliche oder seelische Gewalt von uns befürchten muss, auch wenn er hier eine halbe Stunde rumtobt. Auch das zahlt sich langfristig aus.
Ups, jetzt ist das doch ein Eintrag über Erziehung geworden.
Ich lasse das jetzt mal so stehen und gehe mit meinen zwei Männern frühstücken.
* Die gleiche Schwägerin und ihr Mann haben mir übrigens ebenfalls prophezeit, dass unsere Regel, dass das Kind weder unsere Handys noch unsere Schlüssel in die Hand bekommt von vorne herein zum Scheitern verurteilt wäre. Und die Regel, dass im Auto nicht gegessen wird. Und die Regel, dass nur am Tisch gegessen wird.
Tja, bisher funktioniert alles das bei uns.
Vielleicht lasse ich das aber auch einfach.
Mein eigener Erziehungsstil ist derart, dass Eltern "alter Schule" den zu weich und sehr bedürfnisorientierte Eltern den "zu hart" finden, also kann ich eh nicht gewinnen. Zusammengefasst finde ich es tatsächlich wichtig, bestmöglich auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen. Da ich aber auch Bedürfnisse habe, gibt es Grenzen, auf deren Einhaltung ich sehr achte. Bei manchen Dingen erwarte ich tatsächlich sofortigen Gehorsam (insbesondere Straßenverkehr). Bei meinem Kind geht das zum allergrößten Teil über gute Kommunikation, Aushalten von Konflikten, Besprechen von Gefühlen und positive Motivation. Körperliche Gewalt verbietet sich von selber, angeschrieen wurde das Kind von meinem Mann und mir so selten, dass man es an einer Hand abzählen kann - und da diese stets Gefahrensituationen waren, habe ich da auch ein reines Gewissen.
Konsequenzen gibt es bei uns auch, es ist mir egal ob das manche als Strafe ansehen, in manchen seltenen Fällen ist das hier die letzte Instanz. Ich glaube, wir haben ein einziges Mal unter Zwang Zähne geputzt, weil das Kind es komplett verweigert hat und sonst gar nichts mehr half. Das war nicht schön, aber gut, kommt vor. Ein paar Mal hat er beim abendlichen Aufräumen so lange getrödelt, dass keine Zeit mehr zum Fernsehgucken war (das ist hier der Deal). Gab dann eine halbe Stunde mit einem sehr aufgebrachten, wütenden Kind. Diese Gefühle darf er dann auch artikulieren, ich spiegel ihm dann, dass ich sogar verstehe, dass er sauer ist und dass das auch absolut ok ist jetzt wütend zu sein, aber dass es trotzdem kein Fernsehen gibt.
Wir haben einen ziemlich festen Rhythmus, was Schlafzeiten und Essenszeiten angeht, das stößt oft auf Verwunderung. Das Kind ist das gewohnt, in der Kita gibt es schließlich auch nicht ständig Snacks zwischendurch. Ich finde es wiederum sehr angenehm, mit dem Kind nach draußen spielen zu gehen, einkaufen fahren zu können etc. ohne ständig Reiswaffeln oder Apfelschnitze oder Brezeln mitschleppen zu müssen. Gegessen wird bei uns übrigens auch am Tisch und immer im Sitzen. Mit Essen in der Hand rumlaufen gibt es hier nicht, da bin ich eigen. Essen im Auto ebenso nicht.
Natürlich war das alles nicht immer so, da muss man schon das Alter des Kindes im Blick haben. Als Baby hat er selbstverständlich schlafen und essen dürfen, wann er wollte. Dennoch haben wir schon früh angefangen, ihn sanft an einen festen Rhythmus heran zu führen. Hat prima geklappt und ich habe auch den Eindruck, dass ihm diese Verlässlichkeit dass er ganz genau weiß, wann es welche Mahlzeiten gibt und wann abends Schlafenszeit ist etc. gut tun.
Gleichzeitig wird der Kleine aber immer noch einschlafbegleitet, und er darf mit 3,5 fürs große Geschäft immer noch eine Windel benutzen. Hier halte ich gar nichts von Erziehungsmethoden alter Schule wie das Kind alleine im Bett weinen lassen oder Töpfchentraining unter Zwang (ja, das gibt es immer noch). Körperliche Strafen gibt es schon gar nicht (ja, die werden leider immer noch verbreitet angewendet, obwohl es in Deutschland verboten ist). Auch das muss ich zuweilen verteidigen. Gegessen werden muss hier auch nichts. Schmeckt dem Kind nicht, was ich gekocht habe kann es immer ein Brot, Joghurt oder Müsli bekommen.
Um jetzt doch fies zu werden und den Erziehungsstil anderer Eltern zu kommentieren lasse ich mal meine Beobachtung los, dass ich die Anwendung von Strafen tatsächlich eher bei Eltern beobachte, die es nicht schaffen, VORHER die Grenzen zu setzen. Mir wurde von meiner Schwägern ernsthaft versichert, ohne Klaps auf den Hintern würde es einfach nicht gehen * - dabei knicken sie und ihr Mann vor ihrem inzwischen 10-jährigen Sohn innerhalb von 10 Minuten ein, wenn er ihnen nur genug auf die Nerven geht. Da haben die Klapse früher offenbar keine nachhaltige Wirkung gezeigt. Mein Sohn weiß ganz genau, dass er auch eine halbe Stunde etwas sehr vehement verlangen kann und es trotzdem nicht bekommt wenn wir anfangs nein gesagt haben. Dann bleiben wir dabei. Das ist anstrengend, aber langfristig zahlt sich das aus. Genauso weiß er, dass er keine körperliche oder seelische Gewalt von uns befürchten muss, auch wenn er hier eine halbe Stunde rumtobt. Auch das zahlt sich langfristig aus.
Ups, jetzt ist das doch ein Eintrag über Erziehung geworden.
Ich lasse das jetzt mal so stehen und gehe mit meinen zwei Männern frühstücken.
* Die gleiche Schwägerin und ihr Mann haben mir übrigens ebenfalls prophezeit, dass unsere Regel, dass das Kind weder unsere Handys noch unsere Schlüssel in die Hand bekommt von vorne herein zum Scheitern verurteilt wäre. Und die Regel, dass im Auto nicht gegessen wird. Und die Regel, dass nur am Tisch gegessen wird.
Tja, bisher funktioniert alles das bei uns.
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Dienstag, 18. Mai 2021
Über Feindbilder
u_blues, 11:33h
Neulich saß ich im Service-Wartebereich eines großen bayrischen Autohändlers mit blauweißem Logo und drei Buchstaben. Das Autohaus war einigermaßen gut besucht, und ich amüsierte mich ein wenig damit, Leute zu gucken.
Dann kam eine Frau mit einem Kind, wahrscheinlich ihrem Sohn (so ca. 5 Jahre alt) herein und sofort stellten sich mir die Nackenhaare auf. In mir machte sich eine heftige Antipathie breit. Der "lässige" Dutt hoch oben auf dem Kopf, die runde Brille, die Kombination aus "gewollt lässigen" Jeans, Sneakers und "höherer-Tochter" Strickjacke mit aufgestickten Perlen, dazu sehr sorgfältiges Make-up, aber natürlich im nude look - das alles schrie in einer Lautstärke nach einem gewissen Klientel, dass ich tatsächlich körperlich zusammenzuckte.
Man muss wissen, dass ich ein Gymnasium besucht habe, das hauptsächlich von den Kindern der "besseren" Gesellschaft frequentiert war. Schon als Teenager lösten in mir deren hoch kultivierte Rituale und Statussymbole zum Ausdruck der gesellschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur Verwunderung, sondern auch Abneigung aus.
Natürlich wurde ich als Arbeiterkind ausgeschlossen. Natürlich lehnte ich die Codes auch deswegen ab, weil ich sie nicht kannte, nicht verstand und das Spiel folglich nicht mitspielen konnte.
Die Frau, die da zum Autohändler kam, hatte ich natürlich noch nie im Leben gesehen. Sie hatte mir nichts getan. Höchstwahrscheinlich hat sie selber nie so über Zugehörigkeitsmerkmale gesellschaftlicher Schichten nachgedacht und diese so analysiert, wie ich das mache. Höchstwahrscheinlich stylt sie sich schlicht so, weil es ihr so gefällt und sie damit gut in ihr Umfeld passt.
Als sich mein Puls ein bisschen beruhig hatte, versuchte ich sie neutraler zu beobachten. Sie war am Empfang ausgesprochen freundlich. Im Wartebereich holte sie ein Memory hervor und spielte das mit ihrem Sohn. Sie war dabei geduldig, aber bestimmt, liebevoll zugewandt und die Mutter-Kind-Beziehung, die sich so darstelle hätte wahrscheinlich bei den allermeisten BeobachterInnen 5 Sterne bekommen.
Es gab nichts, aber auch gar nichts, was objektiv ein Grund für meine heftige Antipathie hätte sein können. Nur meine schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit, die ich auf sie projiziert hatte.
Natürlich ist das umso lustiger, weil ich ja exakt im gleichen Wartebereich des exakt gleichen Autohauses exakt derselben Marke saß, die natürlich auch ein gewisses Image verkörpert. Genau das Image, das bei vielen Leuten auch eine sofortige, heftige Antipathie auslöst.
Ich habe viele, viele Jahre gebraucht um zu verstehen, dass manche unserer sofortigen Reaktionen auf andere Menschen weniger mit deren Charakter oder Verhalten zu tun haben. Sondern viel, viel mehr mit uns selber, unserer Geschichte und unserer Prägung.
Wir laufen mit ständigen Filtern durch die Welt. Triggert uns etwas oder jemand, lohnt es sich, einen Moment inne zu halten, zurück zu treten und sich zu fragen:
"Was regt mich jetzt daran so auf?"
"Hat das WIRKLICH etwas mit mir zu tun?"
Allzu oft spielen wir dann doch nur die Spiele vom Schulhof weiter. Zeigen mit dem Finger auf andere, machen uns über deren Frisur, Schuhe, Urlaubsort, Lebensweise, Kaffeegeschmack, Automarke, was auch immer lustig. Gerne natürlich auch im Rudel, denn über gemeinsame Zugehörigkeiten lassen sich andere natürlich schön ausschließen. Oder man kann sich so schön und schnell besser und erhabener fühlen.
Das ist nur menschlich, und es ist verständlich. Ob man damit auf Dauer glücklich wird, ist jedoch eine andere Frage.
Dann kam eine Frau mit einem Kind, wahrscheinlich ihrem Sohn (so ca. 5 Jahre alt) herein und sofort stellten sich mir die Nackenhaare auf. In mir machte sich eine heftige Antipathie breit. Der "lässige" Dutt hoch oben auf dem Kopf, die runde Brille, die Kombination aus "gewollt lässigen" Jeans, Sneakers und "höherer-Tochter" Strickjacke mit aufgestickten Perlen, dazu sehr sorgfältiges Make-up, aber natürlich im nude look - das alles schrie in einer Lautstärke nach einem gewissen Klientel, dass ich tatsächlich körperlich zusammenzuckte.
Man muss wissen, dass ich ein Gymnasium besucht habe, das hauptsächlich von den Kindern der "besseren" Gesellschaft frequentiert war. Schon als Teenager lösten in mir deren hoch kultivierte Rituale und Statussymbole zum Ausdruck der gesellschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur Verwunderung, sondern auch Abneigung aus.
Natürlich wurde ich als Arbeiterkind ausgeschlossen. Natürlich lehnte ich die Codes auch deswegen ab, weil ich sie nicht kannte, nicht verstand und das Spiel folglich nicht mitspielen konnte.
Die Frau, die da zum Autohändler kam, hatte ich natürlich noch nie im Leben gesehen. Sie hatte mir nichts getan. Höchstwahrscheinlich hat sie selber nie so über Zugehörigkeitsmerkmale gesellschaftlicher Schichten nachgedacht und diese so analysiert, wie ich das mache. Höchstwahrscheinlich stylt sie sich schlicht so, weil es ihr so gefällt und sie damit gut in ihr Umfeld passt.
Als sich mein Puls ein bisschen beruhig hatte, versuchte ich sie neutraler zu beobachten. Sie war am Empfang ausgesprochen freundlich. Im Wartebereich holte sie ein Memory hervor und spielte das mit ihrem Sohn. Sie war dabei geduldig, aber bestimmt, liebevoll zugewandt und die Mutter-Kind-Beziehung, die sich so darstelle hätte wahrscheinlich bei den allermeisten BeobachterInnen 5 Sterne bekommen.
Es gab nichts, aber auch gar nichts, was objektiv ein Grund für meine heftige Antipathie hätte sein können. Nur meine schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit, die ich auf sie projiziert hatte.
Natürlich ist das umso lustiger, weil ich ja exakt im gleichen Wartebereich des exakt gleichen Autohauses exakt derselben Marke saß, die natürlich auch ein gewisses Image verkörpert. Genau das Image, das bei vielen Leuten auch eine sofortige, heftige Antipathie auslöst.
Ich habe viele, viele Jahre gebraucht um zu verstehen, dass manche unserer sofortigen Reaktionen auf andere Menschen weniger mit deren Charakter oder Verhalten zu tun haben. Sondern viel, viel mehr mit uns selber, unserer Geschichte und unserer Prägung.
Wir laufen mit ständigen Filtern durch die Welt. Triggert uns etwas oder jemand, lohnt es sich, einen Moment inne zu halten, zurück zu treten und sich zu fragen:
"Was regt mich jetzt daran so auf?"
"Hat das WIRKLICH etwas mit mir zu tun?"
Allzu oft spielen wir dann doch nur die Spiele vom Schulhof weiter. Zeigen mit dem Finger auf andere, machen uns über deren Frisur, Schuhe, Urlaubsort, Lebensweise, Kaffeegeschmack, Automarke, was auch immer lustig. Gerne natürlich auch im Rudel, denn über gemeinsame Zugehörigkeiten lassen sich andere natürlich schön ausschließen. Oder man kann sich so schön und schnell besser und erhabener fühlen.
Das ist nur menschlich, und es ist verständlich. Ob man damit auf Dauer glücklich wird, ist jedoch eine andere Frage.
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