Samstag, 30. November 2019
Über die Coolness von Häuslichkeit
Neulich las ich in einem Wartezimmer in einem dort ausliegenden Print-Erzeugnis einen Artikel, der mich erst verwundert und dann wütend zurück gelassen hat. Eine berufstätige Mutter schrieb, dass sie für ihre Familie kocht, dies gerne tut und dabei entspannen kann.

Soweit, so gut.

Sie führte dann aus, dass sie das ungern erzählt, weil das so ein "Heimchen-am-Herd" Image hat, zumal sie eher klassische Dinge kocht und (sinngemäß) Frikadellen rollt, Apfelkuchen backt und Risotto rührt und diese Hausfrauenküche so uncool und überhaupt nicht instagrammable sei. Es klang in der ganzen Ausführung eine gehörige Portion Scham mit, ich glaube es fiel sogar der Satz dass sie sich als Verräterin am Feminismus fühle oder sogar auch schon so genannt wurde.

Puh, da musste ich erstmal durchatmen. Abgesehen davon, dass ich bei dieser Frau gerne sonntags mitessen würde, weil es für mich so klingt dass sie echt lecker kocht - irgendwie stieß mir das, auch wenn es so halb lustig geschrieben war sauer auf. Warum?

Hausmannskost kochen hat tatsächlich kein cooles Image. Weil es hauptsächlich Frauen machen. Dabei ist es wenn man mal drüber nachdenkt eine komplexe, oft über Jahre erworbene Fähigkeit. Ich bin bei uns zu Hause auch diejenige, die fürs Kochen zuständig ist. Das bedeutet, ich erstelle Essenspläne, Einkaufspläne, ich koche 3-4 mal die Woche Gerichte aus frischen Zutaten, die mir und meiner Familie gut schmecken und unsere Körper mit den Nährstoffen versorgen, die wir brauchen. Dazu habe ich manche Rezepte über Jahre hinweg optimiert. Regelmäßig probiere ich Neues aus.

Ich kann innerhalb kürzester Zeit ein selbst gekochtes Essen auf den Tisch stellen und parallel dazu die Küche schon aufräumen. Ich kann 10 Leute nach einem Tag skifahren innerhalb einer halben Stunde satt machen und ein 3-Gänge-Menü servieren. Ich plane die Zutaten im Voraus, so dass ich so gut wie nie etwas wegwerfen muss. Für Notfälle habe ich immer etwas im Tiefkühlfach.

Und ja, wenn ich den ganzen Tag in Meetings und am Schreibtisch zugebracht habe finde ich es auch entspannend, etwas Praktisches mit den Händen zu mache, eine Lasagne zuzubereiten und dabei meine Lieblingsmusik zu hören. Im Gegensatz zu meiner bezahlten Arbeit kommt nämlich dabei tatsächlich immer ein verwertbares Ergebnis zustande.

Ich weigere mich mittlerweile, das uncool oder unfeministisch zu finden. Umso mehr, weil Kochen, wenn es von Männern praktiziert wird auf einmal viel cooler dargestellt wird. Da stehen dann z.B. Typis in individuell bedruckten Grillschürzen mit ihrem Craft Beer vor einem 400€ Grill mit drei Tonnen Equipment und langweilen Dich mit ihren Ausführungen über die Auswahl der perfekten Kohle, der bis aufs Milligramm abgewogenen Marinade und brauchen ne halbe Stunde, um 1 Kotelett zu servieren. Ok, ich mach in der Zwischenzeit schonmal 3 Salate und den Nachtisch fertig...

Echt, ich habe so satt, dass mir Dudes, die jetzt das Kochen für sich entdeckt haben und Hobbychefkoch ins ihre Bios schreiben mansplainen, auf was da so unglaublich unbedingt zu achten sei. Ich habe es satt, dass eine über Jahre erworbene und nützliche Fähigkeit etwas ist, wofür Menschen sich schämen, weil das nur dann durch Coolness geadelt wird, wenn die ausführende Person einen Penis besitzt.

Seien wir ehrlich, der tiefere Grund dahinter ist, Überraschung, nichts anderes als Misogynie. Und wir Frauen sollten dieses Spiel nicht mehr mitspielen, unsere häuslichen Fähigkeiten nicht mehr schamvoll verstecken, sondern stolz darauf sein können. Es kann nicht sein, dass es einerseits als weibliche Pflicht gilt, die quasi selbstverständlich von uns erwartet wird (was schon falsch und schlimm genug ist!) und es auf der anderen Seite dann aber abgewertet wird.

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