Dienstag, 25. Juni 2019
Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Teil 1: Gleichberechtigte Elternschaft
Als mein Mann vor 14 Jahren den Wunsch geäußert hat, mit mir zusammen zu ziehen, habe ich mich erst sehr gefreut. Dann habe ich zu ihm gesagt: "Können wir gerne machen. Aber nur, wenn wir vorher eine Liste der anfallenden Haushaltsarbeiten erstellen, besprechen wie oft was gemacht werden soll, wer welche Vorlieben hat und die Hausarbeit gerecht aufteilen." (Ja, ich war damals schon feministisch. Und ich war gewissermaßen ein gebranntes Kind).

Stille. Große Augen. Dann meinte er "Du hast völlig Recht. Wir studieren beide, wir haben beide noch einen Nebenjob, es gibt keinen Grund warum einer von uns mehr machen sollte".

Dann schrieben wir alles auf und machten einen Haushaltsplan. Der sah so aus: Aufgrund von persönlichen Vorlieben gilt, dass er immer bügelt, einkauft und staubsaugt (1 mal die Woche) und ich immer koche (an den Wochenenden und wenn wir nicht in die Mensa gehen) und die Wäsche wasche. Gründlich geputzt wird alle 14 Tage am Wochenende. Einer macht Bäder und Küche, der andere wischt feucht Staub, es wird abgewechselt. Jeder räumt seinen eigenen Kram weg. Geschirr spülen jeden Abend, es wird abgewechselt.

Das funktionierte sehr gut. Im Laufe der Jahre wurde das Modell weiter verfeinert und es wurden notwendige Anpassungen vorgenommen. Ich brauche jetzt nicht ins Detail zu gehen, das Wichtige ist: Wir haben ein 50/50 Modell von Anfang an gelebt. Ich habe meinem Mann nie hinterher geräumt. Ich musste ihn nie "bitten", im Haushalt zu "helfen" - er hat immer selbstständig seinen Teil getan. Im Folgenden beschreibe ich das ziemlich im Detail, damit jede/r versteht, was ich mit "gleichberechtiger Elternschaft" meine.

Folglich war es nur logisch, dass sich das fortsetzen sollte, als es an die Kinderplanung ging. Als mein Mann einen Kinderwunsch äußerte, meinte ich "können wir gerne machen, aber nur wenn wir es gerecht aufteilen. Ich möchte weiterhin Vollzeit arbeiten, und ich kriege nur ein Kind mit Dir, wenn Du bereit bist, 6 Monate Elternzeit zu machen".

Erst gab es einige Einwände, weil mein Mann mehr verdient als ich und der finanzielle Verlust in seiner Elternzeit höher ausfällt als bei mir, weil es einen Höchstbetrag für das Elterngeld gibt, ab dem gekappt wird. Ich blieb jedoch hart und meinte, wenn ihm Geld wichtiger sei als die Möglichkeit, öffentlich finanziert 6 Monate exklusiv mit seinem Kind zu verbringen, wäre sein Kinderwunsch wohl doch nicht so stark. Außerdem wollte ich nicht, dass meine Karriere mehr leiden würde als seine. Zumal ich, wenn er 6 Monate Elternzeit nimmt und wir davon ausgehen, dass das Kind mit 12 Monaten die Kitaeingewöhnung anfängt dennoch länger aus dem Beruf raus sein würde, weil zu meinen 6 Monaten Elternzeit noch der Mutterschutz kommt.

Er stimmte dann sehr schnell zu, und das war wirklich in vielerlei Hinsicht einfach Gold wert. Wir besprachen auch, wie es direkt nach der Geburt und in meiner Elternzeit laufen wollte. Der Deal war: Er macht nach der Geburt 3 Wochen Urlaub. Wenn ich es schaffe, koche ich vor und friere ein, sonst ist er im Haushalt für alles zuständig, damit ich im Wochenbett die nötige Ruhe habe. Je nachdem wie anstrengend es mit dem Baby ist, macht er außer kochen den gesamten Haushalt. Dafür darf er die Nächte ungestört im Elternschlafzimmer verbringen, ich schlafe beim Kind im Kinderzimmer. In seiner Elternzeit wenn ich Vollzeit arbeite wird das Modell entsprechend umgekehrt.

So war der grobe Plan, und im Wesentlichen hat das auch so geklappt. Unser Kind wurde die ersten Monate voll gestillt, was ich körperlich teils sehr anstrengend fand. Umso besser war es, dass ich mir keinen Kopf machen musste, dass alles im Chaos versinkt. Mein Mann hat ohne das ich ihn an etwas hätte erinnern müssen eingekauft, Wäsche gemacht und geputzt. Ich konnte mich völlig auf die Versorgung des Babies konzentrieren, schlafen wenn das Baby schläft und bei heißem Wetter 12 Mal am Tag stillen.

Außerdem hatten wir die Abmachung, dass ich einen Tag in der Woche ungestört alleine im Elternschlafzimmer schlafen darf, mein Mann beim Kind schläft und ich nur zum Stillen geweckt werde. Meistens habe ich für diese Nächte abgepumpte Milch bereit gestellt, so dass eine nächtliche Mahlzeit von meinen Mann gegeben werden konnte. So konnte ich wenigstens eine Nacht in der Woche 6-7 Stunden am Stück schlafen. Im Nachhinein denke ich, dass ich wahrscheinlich nicht so lange hätte stillen können, wenn wir dieses Modell nicht gelebt hätten. Ganz davon abgesehen, dass es der Harmonie in unsere Ehe und meiner seelischen Gesundheit sehr zuträglich war.

Übrigens habe ich phasenweise von mir aus, wenn ich mich ausgeruht gefühlt habe mehr gemacht. Ließ mich das Baby 7 Stunden am Stück schlafen, habe ich tagsüber auch mal die Wäsche gemacht oder geputzt und nicht auf meinem Recht "gepocht", nichts im Haushalt machen zu müssen.

Als das Kind 8 Monate alt war, ging ich wieder arbeiten (jawoll, Vollzeit, 40-Stunden-Woche) und die Elternzeit meines Mannes begann. Zu dem Zeitpunkt wurde das Kind noch morgens, abends vor dem Schlafengehen und 1-2 mal pro Nacht gestillt. Das ließ sich mit der Arbeit größtenteils vereinbaren, die Verabredung war, dass ich einmal pro Nacht zum Stillen geweckt werden kann und ggf. die zweite Fütterung mit Pulvermilch (an die das Kind zu dem Zeitpunkt auch schon gewöhnt war ) passiert. Da die Nächte generell schon besser waren als in meiner Elternzeit, hat mein Mann in seiner Elternzeit viel mehr Haushaltsarbeit erledigt als ich in meiner Elternzeit, ganz von sich aus. Genauso wie ich hat er nicht auf seinem Recht "gepocht", nichts im Haushalt machen zu müssen.


Soviel zur Elternzeit. Wie läuft es jetzt, wo wir beide arbeiten?

Das Kind hat sich mit 11 Monaten selbst abgestillt und schläft netterweise seitdem es 1 Jahr alt ist durch. Das heißt, in den allermeisten Nächten schläft es um 20 Uhr ein und wacht zwischen 6:30 Uhr und 7:30 Uhr auf und man hört dazwischen nichts von ihm. Mein Mann bringt es morgens kurz vor acht 08:00 Uhr in die Kita, ich bin zwischen 7:00 und 7:30 im Büro, mache in der Regel um 16.00 Uhr Feierabend und hole das Kind ab. Die Nächte wechseln wir von der "Zuständigkeit" her ab. Ich darf samstags ausschlafen, er sonntags. Die Haushaltsaufteilung läuft wie ursprünglich gehabt (mit Unterstützung von Robert, unserem Staubsaugerroboter). Ist das Kind krank oder muss zum Arzt, wird abgewechselt. Jeder hat regelmäßig "lange Tage" wo er oder sie wegen Hobbyausübung erst abends spät nach Hause kommt (mehr dazu später unter dem Punkt "Organisatorisches").

Im Fazit heißt das, dass ich Arbeit und Kind deswegen "schaffe" weil ich die Last eben nicht alleine trage. Mein Mann weiß genau, was es heißt, mit einem Baby oder Kleinkind den ganzen Tag alleine zu sein. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, ob er es wettergerecht anzieht. Ob er sieht, wenn es wund ist und ihm den Popo eincremt. Er kennt das Personal der Kita genauso gut wie ich. Ich kann abends zum Sport oder mal mit den Kolleginnen was trinken gehen ohne dass ich mir Sorgen machen müsste, ob er klarkommt. Mein Mann weiß, welche Kleidergröße das Kind grade hat (fun fact: er weißt seine eigene Kleidergröße nicht immer. Die vom Kind hingegen schon). Er schreibt Windeln in die Einkaufsapp wenn er sieht, dass die zur Neige gehen.

Aus meiner Sicht wäre es für mich nicht möglich, Vollzeit arbeiten zu gehen, wenn mein Mann ein "Freizeitpapa" wäre. Ich würde es zum einen zeitlich gar nicht schaffen, zum anderen würde ich ohne die persönlichen Freiräume, die ich dadurch habe sehr unglücklich werden. Deswegen bin ich froh, dass unsere gleichberechtigte Partnerschaft nicht mit der Geburt des Kindes geendet hat, sondern vielmehr weiter dadurch gewachsen ist. Das ermöglicht uns beiden auch, die schönen Seiten den Elternsein zu genießen. Weil wir wissen, dass wir die anstrengenden Seiten gemeinsam schultern und uns gegenseitig unterstützen. Und das ist abgesehen davon, dass ich weiter meinen Beruf ausüben kann wie ich es möchte, finanziell komplett unabhängig bin und mir keine Sorgen um meine Rente machen muss eigentlich der schönste Aspekt an gleichberechtigter Elternschaft.

Nächstes Mal geht es dann weiter mit Punkt 2: 2. Gute Kita mit erweiterten Betreuungszeiten.

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Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns? Intro
Oft werde ich gefragt, wie ich das denn schaffen würde, so mit Arbeit und Kind. Wer mich kennt weiß schon, dass die Frage an sich falsch gestellt ist. Richtig wäre "wie schaffen Du und Dein Mann das denn so mit Arbeit und Kind?" Es sei vorweg genommen, dass wir keine Großeltern in der Nähe wohnen haben, die regelmäßig helfen könnten.

Die Frage ist nicht ganz unberechtigt. Die Lebensbedingungen und die Infrastruktur hierzulande sind in der Tat im Normalfall nicht dafür ausgelegt, dass beide Eltern Vollzeit arbeiten und ohne zusätzliche Unterstützung auskommen. Ich kann nach einem halben Jahr ein erstes Fazit ziehen und folgende Dinge benennen, die dazu beitragen, dass mein Mann und ich es nicht nur "schaffen" sondern sogar sagen können, dass es so wie es ist bisher gut läuft und es uns gut geht:

1. Gleichberechtigte Elternschaft
2. Gute Kita mit erweiterten Betreuungszeiten
3. Organisation und Helferlein im Alltag
4. Privilegierte berufliche Situation
5. Gesundes Kind ohne überdurchschnittliche Bedürfnisse (also kein high-need Kind)
6. Hilfe im Notfall
7. Persönlicher Freiraum
8. Glück

Die Serie soll erstmal nur beschreiben, wie es bei uns läuft, was bei uns funktioniert und was nicht. Sie stellt keine Handlungsempfehlung dar und niemand, bei dem es anders ist soll sich deswegen ans Bein gepinkelt fühlen. Insbesondere weil einige Punkte nicht unserem Einfluss unterliegen. Wie unsere Familie tickt, stellt einen Weg von vielen möglichen dar.

Weiterhin ist unsere Sichtweise dadurch beschränkt, dass wir weiß, cis, hetero, zusammenlebend und finanziell gut gestellt sind. So ziemlich das einzige, was bei uns von der Norm abweicht ist, dass ich als Mutter eines unter Dreijährigen Vollzeit arbeite (ach ja, und mein Mann ist Ausländer, aber ein EU-Ausländer einer Nationalität, die so gut wie keinerlei negativen Vorurteilen oder Erschwernissen im Alltag ausgesetzt ist.) Das Unvertändnis, das mir schon deswegen entgegen schlägt lässt mich nur im Ansatz erahnen, wie vielen Mikroaggressionen LGBT, people of color, behinderte Menschen und viele andere marginalisierte Gruppen tagtäglich ausgesetzt sind.

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Noch so ein Elternblog?! Warum das denn?
Herzlich willkommen! Wahrscheinlich hast Du über Twitter hergefunden. In dem Fall weißt Du schon einiges über mich, trotzdem stelle ich mich vor:

Ich bin u_blues, Ende dreißig, Ingenieurin, verheiratet, Mutter eines 1,5 jährigen Kindes.

Seit 10 Monaten arbeite ich Vollzeit (40-Stunden Woche). Damit gehöre ich zu einer Minderheit. Weniger als 10% der Mütter mit Kindern unter drei Jahren arbeiten in Deutschland Vollzeit. Praktisch kenne ich persönlich keine einzige Frau in meiner Lebenssituation. Immer wieder merke ich, dass das Modell, das mein Mann und ich leben in der gesellschaftlichen Wahrnehmung praktisch nicht existiert.

Um Sichtbarkeit zu generieren und weil ich mir über diesen Weg mehr Austausch erhoffe also nun dieses Blog (es gibt zwar noch ein altes Blog von mir, aber das ist thematisch ganz anders gelagert, deswegen musste ein Neues her). Die Kommentare bleiben hierfür zunächst offen. Natürlich sind alle hier willkommen, auch Eltern, die nicht arbeiten, Teilzeit arbeiten und auch Menschen ohne Kinder.

Allerdings nur, wenn einige Regeln beachtet werden: Kommentare, die beleidigend sind oder meine Lebensweise und/oder Erziehung in Frage stellen sind nicht erwünscht und werden gelöscht. Ebenso bitte ich auf Diskussionen, ob Vollzeitarbeit nicht die Quelle allen Übels und für eine Mutter sowieso widernatürlich sei zu verzichten.

An dieser Stelle sei auch vesichert, dass es mich, den Mann und das Kind wirklich gibt und das was ich hier schreibe im Kern der Wahrheit entspricht. Mit "im Kern" meine ich, dass ich mir aus Gründen erlauben werde, manche Dinge zu verfremden. Beispielweise könnte es sein, dass ich einer Nachbarin einen Kommentar in den Mund lege, den vielleicht meine Kollegin getätigt hat. Oder dass mein Schwager Hans in Wirklichkeit gar nicht Hans heißt, sondern Horst. Ihr versteht, worauf ich hinaus will.

Was Ihr hier nicht lesen und sehen werdet: hübsche Bildchen von Gebasteltem, Genähtem oder Gekochtem, Kalendersprüche, oder Esoterisches. Falls Du Homoöpathie gut und Impfen fragwürdig finden solltest, gehe besser sofort wieder, wir werden zu keinem bereichenderm Dialog finden.

Los geht es mit dem Thema "Vereinbarkeitsspagat: Wie läuft das bei uns?", zu dem es eine Art Blogserie geben wird.

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